Leben verlieren = Leben retten?!
Jemand hat mal gesagt: Ein Paradox ist eine Wahrheit, die einen Kopfstand macht, um Aufmerksamkeit zu erregen. Auf den ersten Blick scheint sie keinen Sinn zu ergeben oder sich zu widersprechen. Doch wenn man genauer hinsieht, dann erkennt man, dass eine tiefere Bedeutung dahintersteckt.
In der Bibel gibt es viele sehr interessante Paradoxe, durch die Gott in unser Leben hineinspricht. Eins davon schauen wir uns jetzt mal etwas genauer an. Es fordert unseren Glauben heraus und stellt uns von konkrete Entscheidungen:
Das Paradox lautet: Wir retten unser Leben, indem wir es verlieren. Jesus Christus hat zu Seinen Jüngern gesagt: „Denn wer irgend sein Leben erretten will, wird es verlieren; wer aber irgend sein Leben verlieren wird um meinet- und des Evangeliums willen, wird es erretten“ (Markus 8:35).
Jesus fordert uns durch diese Worte zu kompromissloser Nachfolge auf. Denn Gott möchte in unserem Leben Entschiedenheit und Hingabe sehen. Etwas provokativ ausgedrückt könnte man sagen: Ein halber Christ ist ganzer Unsinn.
6 Mal kommt diese Aussage des Herrn – mit kleinen Abweichungen – in den Evangelien vor. Es gibt glaube ich keine andere Aussage, die von dem Sohn Gottes so oft wiederholt wird. Das zeigt, wie wichtig es für Ihn ist, dass wir nicht nur bekennen, dass wir Christen sind, sondern dass wir Jüngerschaft auch konkret leben.
Der Vers, den wir gelesen haben, ist wie ein Schlüssel, der uns sozusagen das wahre und echte christliche Leben aufschließt. Der Weg des Herrn ging durch Leiden zur Herrlichkeit – und das ist auch der Weg von jedem, der Ihm heute nachfolgen möchte. Jesus ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und Sein Leben zu geben. Er ist nicht gekommen, um es sich hier so schön wie möglich zu machen, sondern Er kam, um den Willen Gottes zu tun und Ihn zu verherrlichen. Genau das sollte auch unser Lebensmotto sein.
Die Worte des Herrn sind radikal – schwarz oder weiß.
Das Leben verlieren oder das Leben retten. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, wie wir unser Leben führen können: Entweder Ich-zentriert oder Christus-zentriert.
Man kann sich dazu entscheiden, ein egozentrisches Leben zu führen, indem man danach strebt, sich selbst zu verwirklichen, reich zu werden, anerkannt zu sein oder sich das Leben so schön wie möglich zu machen. Man trifft Entscheidungen so, dass das Wohlbefinden nicht beeinträchtigt wird und macht Pläne, um möglichst viel zu erleben oder Spaß zu haben. Konzerte, Feiern, Kulturveranstaltungen, Sportevents. Kurz gesagt: Es dreht sich alles nur um das „Ich“ und ein schönes Leben in dieser Welt.
Doch im Licht der Ewigkeit sind das alles vergängliche Dinge. Nichts davon wird man einmal im Himmel wiederfinden. Und wer so lebt, der verliert das wahre, das wahrhaftige Leben, das Gott uns eigentlich schenken möchte. Deshalb schreibt Johannes: „Die Welt vergeht und ihre Lust; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit“ (1. Johannes 2:16). Am Ende stellt man fest, dass man am Ziel vorbeigelebt hat, weil man nicht für andere, sondern nur für sich selbst gelebt hat und nur auf das Irdische und Zeitliche ausgerichtet war. Das ist ein verlorenes Leben.
Als ein indischer Evangelist einmal mit einem Tibetaner in einem Gebirge durch einen Schneesturm wanderte, sahen sie plötzlich einen Mann, der den Abhang hinuntergestürzt war. Der Evangelist sagte: „Wir müssen hingehen und ihm helfen.“
Der andere Mann antwortete: „Niemand kann von uns verlangen, dass wir uns um ihn bemühen; wir stehen ja selbst in der Gefahr, in diesem Sturm umzukommen.“ Doch der Evangelist blieb bei seiner Entscheidung und sagte: „Wenn wir schon sterben müssen, dann ist es besser, wir sterben im Dienst an anderen.“
Daraufhin wandte der Mann sich ab und ging seines Weges. Aber der Evangelist stieg zu dem verunglückten Mann hinunter, hob ihn mühsam auf meine Schultern und trug ihn langsam den Berg hinauf.
Durch diese Anstrengung wurde der Evangelist, der völlig durchgefroren war, wieder warm, und seine Wärme übertrug sich außerdem auf den Verunglückten, der kurz vor dem Erfrieren war. Dadurch wurden beide vor dem Erfrieren bewahrt.
Nach einiger Zeit fand der Evangelist seinen früheren Begleiter wieder. Er lag im Schnee. Er hatte sich übermüdet irgendwo hingelegt und war dabei erfroren. Durch diese Begebenheit hat der Evangelist die Bedeutung der Worte des Herrn verstanden: „Wer sein Leben lieb hat, wird es verlieren“ (Johannes 12:25).
Was bedeutet es jetzt aber, das Leben zu verlieren, um es zu retten?
Es bedeutet, dass man das ich-bezogene Leben aufgibt und stattdessen ein Christus-zentriertes Leben lebt. Jesus Christus ist das Ziel des Lebens. Er hat uns mit Seinem Blut erkauft, wir gehören Ihm und wir leben nicht mehr uns selbst, sondern für Ihn, der für uns gestorben ist. Wie Paulus gesagt hat: „Das Leben ist für mich Christus und Sterben Gewinn“ (Philipper 1:21).
Der Fokus ist nicht mehr das Irdische und Zeitliche, sondern das Himmlische und Ewige. Man lebt für das, was Ewigkeitswert hat. Jim Elliot hat sehr treffend gesagt: »Der ist kein Narr, der hingibt, was er nicht behalten kann, damit er gewinnt, was er nicht verlieren kann.« Ein weiser Satz!
Jim Elliot und viele Märtyrer in der Kirchengeschichte haben tatsächlich ihr Leben verloren, weil sie Christus gedient und treu an Ihm festgehalten haben – und dafür werden sie einmal großen Lohn empfangen!
Auch wenn die meisten von uns wahrscheinlich nicht als Märtyrer sterben, werden auch wir durch die Worte Jesu herausgefordert. Denn das ich-zentrierte Leben zu verlieren, um das wahre Leben zu retten oder zu gewinnen hat mit Selbstverleugnung und Opferbereitschaft zu tun. Denk mal an einen Athleten, der für Olympia trainiert. Er bringt große Opfer, um eine Medaille zu gewinnen. Er gibt alles auf, was ihn daran hindert, eine gute Leistung zu erzielen. Egal ob er isst, trinkt oder schläft – er tut alles so, um bestmöglich sein Ziel zu erreichen. Wenn Menschen so etwas schon für eine irdische Medaille tun, wie viel mehr Selbstverleugnung und Opferbereitschaft sollten wir dann für unsere himmlischen Kronen aufbringen!
Paulus hat so gelebt. In Philipper 3 sagt er, dass er alles, was ihn daran gehindert hat, Christus zu folgen, aufgegeben hat. Christus war ihm so groß und wichtig geworden, dass er alles andere für Dreck geachtet hat. Und auch in seinem Dienst für den Herrn war er bereit, große Opfer zu bringen. Deshalb sagt er: „Aber ich nehme keine Rücksicht auf mein Leben als teuer für mich selbst, damit ich meinen Lauf vollende und den Dienst, den ich von dem Herrn Jesus empfangen habe, zu bezeugen das Evangelium der Gnade Gottes“ (Apostelgeschichte 20:24).
In diesem Zusammenhang kann man sagen: Die Hauptgrundsätze des christlichen Lebens sind Selbstverleugnung und völlige Übergabe an Gott. Wir nutzen unser Zuhause nicht mehr nur für uns, sondern öffnen es auch für andere. Wir leben nicht, um bedient zu werden, sondern um anderen zu dienen.
Jetzt könnte man denken, dass jemand, der seine Zeit nicht für sich selbst verwendet, scheinbar nichts vom Leben hat und es deshalb verliert. Aber in Wirklichkeit hat die Gottseligkeit – das auf Gott konzentriert und von Ihm erfüllt zu sein – die Verheißung des Lebens, und das gilt sowohl für jetzt als auch für die Zukunft (1. Timotheus 4:8). Gelebte Jüngerschaft führt zu einem Sinn-erfüllten, fruchtbaren Leben – und zu einem Leben, dass am meisten belohnt wird.
Es ist auch interessant, was über die Bibel im Neuen Testament über die Reichen sagt. Paulus fordert Timotheus dazu auf, ihnen zu sagen: „Gutes zu tun, reich zu sein an guten Werken, freigebig zu sein, mitteilsam, indem sie sich selbst eine gute Grundlage für die Zukunft sammeln, damit sie das wirkliche Leben ergreifen“ (1. Timotheus 6:19-20). Es geht also um gegenwärtige Opfer für zukünftigen Lohn und den Genuss ewiger und himmlischer Dinge – das ist das wirkliche Leben!
Außerdem sagt Paulus, dass Timotheus das ewige Leben ergreifen soll. Das ist ein beeindruckender Gedanke. Es bedeutet, dass er bewusst in der Beziehung zum Vater und zum Sohn und im Genuss dieser Gemeinschaft leben sollte. Das ist wahres Leben im Überfluss. Wir werden das ewige Leben in dem Maß genießen, wie wir bereit sind, unser natürliches Leben zu verleugnen und Christus konsequent zu folgen!
Die Frage, die wir uns alle stellen können, ist: Habe ich mein altes Leben an den Nagel gehängt? Verleugne ich mich selbst, bringe ich Opfer für andere und lebe ich konsequent für Christus aus Dankbarkeit für das, was Er für mich getan hat? Bin ich darauf ausgerichtet, dem Leben nachzujagen, das ich am Ende sicher verlieren werde, oder ergreife ich das wahrhaftige Leben, das bleibt und das in der Hingabe und im Dienst für Christus zu finden ist?
Herkunft: juengerschaft.org