Das Buch der Bücher
Wenn ich ihm mein Gesetz auch noch so oft vorschreiben würde, so halten sie es doch für etwas Fremdes! (Hosea 8:12)
O, wie zehntausendfach barmherzig ist Gott, dass er, wenn er auf die menschliche Rasse herabblickt, sie nicht auslöscht. Wir sehen in unserem Text, dass Gott auf den Menschen sieht, denn er sagt von Ephraim: „Wenn ich ihm mein Gesetz auch noch so oft vorschreiben würde, so halten sie es doch für etwas Fremdes!“ Aber beachte, wie er, wenn er die Sünde des Menschen ansieht, ihn nicht zerschmettert und ihn mit Füßen zertritt. Er schüttelt ihn nicht am Kragen über dem Abgrund der Hölle, bis sein Verstand taumelt, um ihn dann für immer fallen zu lassen; vielmehr kommt er vom Himmel herab, damit er um seine Geschöpfe werben kann; er argumentiert mit ihnen; er stellt sich gleichsam auf die gleiche Ebene wie der Sünder – er bringt seine Klage zum Ausdruck und fordert sein Anrecht ein. O Ephraim, wenn ich dir mein Gesetz auch noch so oft vorschreiben würde, so hältst du es doch für etwas Fremdes!
Zunächst was das Buch betrifft: Wer ist der Autor. Der Text sagt, dass es Gott ist. Wenn ich ihm mein Gesetz auch noch so oft vorschreiben würde… Hier liegt meine Bibel – wer hat sie verfasst? Ich öffne sie, und ich finde heraus, dass sie aus einer Serie von Abhandlungen besteht. Die ersten fünf Abhandlungen wurden von einem Mann namens Moses geschrieben. Ich blättere weiter und ich treffe auf weitere Personen. Manchmal sehe ich David als Autor, an anderer Stelle ist es Salomon.
Hier lese ich von Micha, dann von Amos, dann von Hosea. Wenn ich weiter blättere zu den strahlenderen Seiten des Neuen Testaments, sehe ich Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, Paulus, Petrus und andere; aber wenn ich das Buch schließe, frage ich mich, wer ist der Autor? Beanspruchen diese Leute alle gemeinsam die Verfasserschaft? Sind sie diejenigen, die dieses große Werk zusammengestellt haben? Teilen sie unter sich die Ehre auf? Unsere heilige Glaubensantwort lautet: Nein!
Dieses Werk ist die Niederschrift des lebendigen Gottes; jeder Buchstabe wurde mit einem allmächtigen Finger verfasst; jedes Wort darin stammt aus einem ewigen Mund; jeder Satz wurde vom Heiligen Geist diktiert. Obschon Mose gebraucht wurde, seine Geschichte mit seinem feurigen Stift niederzuschreiben, war es Gott, der diesen Stift führte. Es mag sein, dass David seine Harfe berührte und liebliche Melodien der Psalmen mit seinen Fingern erzeugte; aber Gott führte seine Hand über die lebendigen Saiten seiner goldenen Harfe. Es mag sein, dass Salomon Liebeslieder sang oder Worte vollkommener Weisheit von sich gab, aber Gott führte seine Lippen und machte ihn zu einem wortgewandten Verkündiger.
Folgen wir dem donnernden Nahum, als seine Pferde die Wasser durchpflügten, oder Habakkuk, als der die Zelte von Kuschan in Bedrängnis brachte; wenn ich Maleachi lese und die Erde wie ein Ofen brennt; wenn ich die sanften Seiten von Johannes aufschlage, die von Liebe berichten, oder die rauhen, feurigen Kapitel des Petrus, die vom verzehrenden Feuer über Gottes Feinden spricht; wenn ich Judas aufschlage, der vier Flüche über die Feinde Gottes ausspricht, überall entdecke ich, wie Gott spricht, es ist Gottes Stimme, nicht die Stimme eines Menschen.
Die Worte sind Gottes Worte, die Worte des Ewigen, des Unsichtbaren, des Allmächtigen, des Jahweh dieser Erde. Diese Bibel ist Gottes Bibel, und wenn ich sie sehe, erscheint es mir, als spräche eine Stimme zu mir, die sagt:
„Ich bin das Buch Gottes, Mensch, lese mich. Ich bin Gottes Niederschrift, schlage meine Seiten auf, denn ich wurde von Gott niedergeschrieben; lies es, denn er ist mein Verfasser und du wirst ihn überall sehen und erkennen.“
Ich werfe meinen Anker auf Golgatha, ich erhebe meine Augen zu Gott, und hier stehe ich, lebendig und vor der Hölle gerettet. Aus diesem Grund spreche ich über das, was ich kenne. Ich bin die gefährliche Reise gesegelt, ich erreichte sicheres land. Fordere von mir, dass ich ein Ungläubiger werde. Nein, ich habe es versucht; es war süß zuerst, doch alsdann ward es bitter. Nun, fester gebunden an das Evangelium Gottes als je zuvor, stehend auf einem unverrückbaren Felsen, widerstehe ich den Argumenten der Hölle, die mich verändern wollen, denn ich weiß, an wenn ich geglaubt habe, und ich bin überzeugt, dass er das, was ich ihm anvertraut habe, bewahren kann.
Aber ich werde an diesem Abend weder bitten noch argumentieren. Ihr sagt von euch, dass ihr Christen seid, andernfalls wärt ihr nicht hier. Eure Bekenntnisse mögen Lügen sein; was ihr sagt, dass ihr es seid, mag genau das Gegenteil von dem sein, was ihr wirklich seid. Aber ich gehe noch immer davon aus, dass ihr zugebt, dass dies Gottes Wort ist. Ein oder zwei Gedanken hierzu. Erstens, meine Freunde, stehe zu diesem Buch und bewundere seine Autorität. Dies ist kein gewöhnliches Buch. Es handelt sich nicht um die Aussprüche der Weisen Griechenlands; hier sind nicht die Aussagen der Philosophen vergangener Jahrhunderte.
Wenn diese Worte von einem Menschen geschrieben worden wären, mögen wir sie verwerfen. Aber lasst mich diesen ehrwürdigen Gedanken denken, dass dieses Buch Gottes Handschrift ist, dass diese Worte Gottes Worte sind! Lasst mich das Alter des Buches betrachten; es wurde auf den Hügeln des Himmels verfasst. Lasst mich seine Buchstaben betrachten; sie lassen Herrlichkeit in meinem Auge aufleuchten. Lasst mich seine Kapitel lesen; sie sind voller Bedeutung und unerkannten Geheimnissen. Lasst mich die Prophetien betrachten; sie sind erfüllt von undenkbaren Wundern. O, Buch der Bücher. Und warst du von meinem Gott niedergeschrieben? Dann will ich mich vor dir verneigen.
Du Buch von gewaltiger Autorität! Du bist eine Proklamation des Herrschers im Himmel. Niemals möge ich meinen Verstand dazu gebrauchen, dir zu widersprechen. Vernunft, deine Aufgabe ist es herauszufinden, was dieses Buch bedeutet, nicht zu sagen, was dieses Buch zu bedeuten hätte. Komm, mein Verstand, mein Intellekt, setze dich nieder und lausche, denn diese Worte sind die Worte Gottes. Ich weiß nicht, was ich darüber noch sagen könnte. O, wenn ihr euch stets daran erinnert, dass diese Bibel tatsächlich und fürwahr von Gott niedergeschrieben wurde. O, wenn ihr Zutritt zum verborgenen Gemach des Himmels gehabt hättet, wenn ihr Gott gesehen hättet, wie er zu seinem Stift griff und diese Buchstaben niederschrieb, dann würdet ihr ihnen gewiss Respekt zollen; aber sie sind genauso Gottes Handschrift, als ob ihr Gott bei der Niederschrift gesehen hättet. Diese Bibel ist ein Buch von Autorität, es ist ein bevollmächtigtes Buch, denn Gott hat es geschrieben. O, zittert, damit es niemand unter euch gering achte. Erkenne seine Autorität, denn es ist Gottes Wort.
Sodann, da Gott es schrieb, beachte seine Wahrhaftigkeit. Hätte ich es verfasst, gäbe es Würmer von Kritikern, die es sofort befallen und es mit ihren bösen Ausgeburt bedecken würden; hätte ich es geschrieben, gäbe es Menschen, die es augenblicklich in Stücke reißen würden, und vielleicht zu Recht. Aber dies ist Gottes Wort; kommt ihr Kritiker und findet einen Fehler; untersucht es, von 1. Mose bis Offenbarung, und findet einen Irrtum. Dies ist eine Quelle puren Goldes, unvermischt mit Quarz oder irgendeiner anderen irdischen Substanz. Dies ist ein Stern ohne Flecken; eine Sonne ohne Makel; ein Licht ohne Finsternis; ein Mond ohne seine Blässe; eine Herrlichkeit ohne Trübung. O, Bibel, von keinem anderen Buch kann gesagt werden, dass es vollkommen und rein ist; aber von dir können wir künden, dass alle Weisheit darin enthalten ist, ohne ein Teilchen von Torheit. Dies ist der Richter, der den Streit beendet, wo Scharfsinn und Verstand an ihre Grenzen gekommen sind. Dies ist das Buch, dass frei ist von jedem Irrtum; es ist reine, ungetrübte, vollkommene Wahrheit. Warum? Weil Gott es schrieb.
Bevor wir diesen Punkt hinter uns lassen, wollen wir innehalten und die gnädige Natur Gottes betrachten, warum er uns überhaupt eine Bibel niederschrieb.
A, er hätte uns ohne sie lassen können, um uns auf unserem Weg herumzutasten, wie blinde Menschen die Mauer suchen; er hätte es zulassen können, dass wir dem Stern der Vernunft als einzigem Führer folgen. Ich erinnere mich an eine Geschichte von Mr. Hume, der beständig behauptete, das Licht der Vernunft sei über die Maßen ausreichend. Als er eines Abends im Hause eines guten Pastors war, diskutierte er diese Frage und erklärte seinen festen Glauben daran, dass es ausreichend sei, dem Licht der Natur zu folgen. Als er aufbrach bot ihm der Pastor ein Kerzenlicht an, um die Stufen hinunterzugehen. Er sagte: „Nein, das Licht der Natur reicht aus; das Mondlicht tut es schon.“ Es begab sich, dass der Mond mit einer Wolke bedeckt war und er die Treppen hinunterfiel.
„A“, sagte der Pastor, „Sie hätten doch ein wenig Licht von oben gebraucht, Mr. Hume.“ Wenn wir annehmen, das Licht der Natur reiche aus, dann wäre ein wenig Licht von oben angebracht, und dann könnten wir sicher sein, auf dem richtigen Weg zu sein. Es ist besser, zwei Lichter als nur eines zu haben. Das Licht der Schöpfung ist ein strahlendes Licht. Gott kann in den Sternen gesehen werden; seine Name ist in goldenen Lettern auf den Bergen der Nacht geschrieben; du magst seine Herrlichkeit in den Wellen des Ozean erkennen, in den Bäumen auf dem Feld; aber es ist besser, über sie in zwei Büchern als in einem zu lesen; Du wirst sie hier klarer offenbart vorfinden, denn er selbst hat dieses Buch geschrieben, und er hat dir die Schlüssel zum Verständnis gegeben, wenn du den Heiligen Geist hast. Ach, Geliebte, lasst uns Gott für diese Bibel danken; lasst sie uns als kostbarer erachten als viel feines Gold.
Nichts in der Bibel ist unwichtig. Jeder Vers hat einen feierlichen Sinn; und wenn wir ihn noch nicht herausgefunden haben, hoffen wir dennoch, dies zu erlangen. Ihr habt Mumien gesehen, die rundherum in Lagen von Leinentüchern eingewickelt waren. Nun, Gottes Bibel ist wie diese; es ist eine große Rolle weißer Leintücher, gewoben im Webstuhl der Wahrheit. Du wirst fortfahren müssen, diese aufzurollen, Rolle nach Rolle, bevor du die wahre Bedeutung in all seiner Tiefe erkennst; und wenn du fündig geworden bist, wie du denkst, ein Teil der Bedeutung, dann wirst du noch immer fortfahren müssen, aufzurollen, aufzurollen, und in alle Ewigkeit wirst du die Worte dieses großen Werkes aufrollen. Doch es gibt nichts in der Bibel als großartige Dinge… Erstens, alle Dinge in dieser Bibel sind großartig; aber, zweitens, einige Dinge sind die größten von allen.
Dieses Buch sagt mir, dass, wenn ich bekehrt bin und sterbe, es einen Himmel von Freude und Liebe gibt. Es sagt mir, dass die Flügel der Engel ausgestreckt sein werden, und ich, getragen von starken Flügel der Cherubim, über den Blitz hinaufsteigen und die Sterne hinter mich lassen werde, hinauf zum Thron Gottes, dort ewig zu wohnen. Weit entfernt von einer Welt des Leids und der Sünde, ewig mit Gott. O, es lässt mich heiße Tränen weinen, es macht mein Herz zu groß für diesen Leib und mein Verstand wird durcheinandergewirbelt bei dem Gedanken an Jerusalem, meinem glückseligen Zuhause, mein alles geliebter Name.
O, diese liebliche Szene jenseits der Wolken; liebliche Felder in lebendigem Grün und Ströme der Freude. Sind dies nicht großartige Dinge? Aber, arme Seele, die du nicht von neuem geboren bist, die Bibel sagt, wenn du verloren bist, bist du für immer verloren; sie sagt dir, wenn du ohne Christus stirbst, ohne Gott, gibt es keine Hoffnung für dich; es gibt keinen Ort mit einem Funken Hoffnung, und du wirst in brennenden Buchstaben lesen: „Du kanntest deine Pflicht, aber du erfülltest sie nicht.“
Die Bibel sagt dir, dass du vor seiner Gegenwart weichen musst mit den Worten: „Weicht von mir, ihr Verfluchten.“ Sind dies nicht großartige Dinge? Ja, meine Herren, wie der Himmel begehrenswert ist, so ist die Hölle schrecklich, wie die Zeit kurz ist, ist die Ewigkeit unendlich, wie die Seele kostbar ist, wie man den Schmerz meidet, wie nach dem Himmel getrachtet werden muss, wie Gott ewig ist und wie seine Worte gewiss sind, dies sind großartige Dinge, auf die ihr hören solltet.
Blinde Menschen können nicht sehen, oder? Aber wenn der Heilige Geist die Schuppen von den Augen nimmt und wenn er Augensalbe gibt, wird die Bibel kostbar. Ich erinnere mich an einen Pastor, der einst zu einer älteren Dame gesandt wurde, und er dachte, er könne ihr einige kostbare Verheißungen aus dem Wort Gottes bringen. Als er sich einer der Verheißungen zuwandte, sah er am Rand geschrieben „K“, und er fragte: „Was bedeutet dies?“ Dies bedeutet „Kostbar“, mein Herr.“ Weiter unten sah er „K und E“, und er fragte, was diese Buchstaben bedeuten. „Das“, sagte sie, „bedeutet ‚Kostbar und Erprobt‘.“ Wenn Du Gottes Wort erprobt hast und es sich bewährt hat, wenn es deiner Seele kostbar geworden ist, dann seid ihr Christen. Aber die Leute, die die Bibel verachten, „haben weder Anteil noch Erbe an diesem Wort“ (Apostelgeschichte 8:21). Wenn es dir trocken ist, wirst du am Ende vertrocknet in der Hölle sein. Wenn du es nicht höher als deine notwendige Nahrung achtest, gibt es keine Hoffnung für dich, denn dir fehlt der höchste Beweis deines Christseins.
Und möge Gott in seiner unendlichen Gnade die erleuchtenden Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit fallen lassen, wenn ihr eure Bibeln lest, durch das Werk des ewig verehrenswürdigen Heiligen Geistes, dann wirst du sie zu deinem Nutzen und zur Errettung deiner Seele lesen. Wir mögen von der Bibel sagen: „Es ist Gottes Kammer seines offenbarten Ratschlusses. Wo Wohl und Wehe so geordnet sind, dass jeder Mensch wissen mag, was sein Teil ist. Sein Fehler allein ist es, wenn er von ihr falschen Gebrauch macht.“
Herkunft: Charles Spurgeon