Richterstuhl Gottes
In der christlichen Religion ziehen die Menschen es vor, abstrakte Lehren zu glauben und über allgemeine Wahrheiten zu sprechen als selbst Nachforschungen anzustellen – das offenbart ihr persönliches Interesse. Man wird viele Menschen antreffen, die einen Prediger bewundern, der Allgemeinheiten von sich gibt, aber sobald er tiefergehende Fragen stellt, nimmt einer nach dem anderen Anstoß an ihm.
Wenn wir allgemeine Fakten verkünden wie die universelle Sündhaftigkeit des Menschen oder die Notwendigkeit eines Erlösers wird jeder unserer Lehre zustimmen, und möglicherweise wird jeder voller Freude nach der Predigt von dannen ziehen, weil es ihn nicht betroffen hat; aber wie oft werden unsere Zuhörer mit den Zähnen knirschen oder zornig davongehen, weil sie wie die Pharisäer bei Jesus erkennen, dass der treue Prediger von ihnen sprach.
Und doch, meine Brüder, wie töricht ist dies. Wenn wir in allen anderen Dingen Persönlichkeiten mögen – wenn wir bei allen Dingen auf unser eigenes Anliegen blicken, wieviel mehr sollten wir es in unserem Glauben tun? Denn gewiss muss jeder Mensch am Tag des Gerichts über sein Leben Rechenschaft ablegen. Wir müssen alleine sterben, und jeder wird am Tag der Auferstehung für sich auferweckt werden, und jeder muss für sich selbst vor dem Richterstuhl Gottes erscheinen; und jeder Einzelne muss entweder die Worte hören „Komm, du Gesegneter“, oder er muss verworfen werden mit dem unüberhörbaren Ruf „Weichet von mir, ihr Verfluchten.“
Wenn es so etwas wie eine nationale Errettung gäbe, wenn es möglich wäre, dass wir als Masse errettet werden könnten, wenn wir wie die Ähren des Korns um des Weizens willen eingebracht werden könnten mit ein wenig Unkraut, das hie und da mitgewachsen ist, dann wäre es in der Tat nicht so töricht, unser eigenes Leben zu vernachlässigen; aber wenn die Schafe, ein jedes einzelne von ihnen, unter der Hand dessen, der sie führt, hindurch gehen müssen, wenn jeder Mensch persönlich vor Gott treten muss, damit er für seine eigenen Taten gerichtet wird, lasst uns bei allem, was vernünftig ist, bei allem, was uns das Gewissen sagt und bei allem, was in unserem eigenen Interesse ist, auf uns selbst blicken, dass wir nicht verführt und nicht zuletzt kläglich verworfen werden.
Herkunft: Charles Spurgeon