Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben
Johannes 14:1-6:
Jesus, der Weg zum Vater
Liebe Brüder und Schwestern in Christus,
habt ihr schon einmal eine längere Wanderung gemacht? Dann kennt ihr sicher auch die Erfahrung, sich dabei zu verirren. Solche Geschichten kann fast jeder erzählen, der sich darauf einlässt. Obwohl man die richtigen Karten hat, stimmen die plötzlich nicht mehr mit der Realität überein. irgendwo ist man falsch abgebogen, hat etwas übersehen, und dann fängt das Rätselraten an: Wo bin ich? Wo geht es lang? Eine leichte Panik kommt auf, aber irgendwie und irgendwann klärt sich die Situation wieder, manchmal durch Glück, manchmal dadurch, dass man wieder zurückgeht oder einfach etwas ausprobiert. Der Weg ist wieder klar und die Richtung stimmt.
Jesus kannte die Situation des Wanderns gut, er war ja praktisch immer unterwegs. Und so benutzte er diesen Vorgang gerne als ein Bild. In unserem Predigttext beschreibt er damit, worin das Leben besteht, was darin wichtig ist und wo es hinführt. Er steht im 14. Kapitel des Johannesevangeliums und lautet:
1 Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!
2 In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn’s nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten?
3 Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin.
4 Und wo ich hingehe, den Weg wisst ihr.
5 Spricht zu ihm Thomas: Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen?
6 Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich. Johannes 14:1-6
Jesus sagt das hier zu seinen Jüngern, kurz bevor er sie für immer verlässt, es ist also ein Teil seiner sogenannten Abschiedsreden. Sie enthalten Mahnungen und Verfügungen, Rückblicke und Segensworte.
Hier geht es um die Sendung Jesu, um den Glauben und das Ziel des Lebens. Dabei will Jesus seine Jünger hauptsächlich trösten und beruhigen, denn natürlich waren sie erschüttert, dass die Trennung von ihm bevorstand. Das hatte er ihnen gerade angekündigt. Sie hatten Angst, ihn zu verlieren und mit ihm das Leben.
Denn das hatte er ihnen in ganz neuer Weise ermöglicht: Sie hatten seine Wunder gesehen und Worte des ewigen Lebens gehört. Sie waren durch ihn Gott nahe gekommen. Sollte das alles nun vorbei sein? Das fragten sie sich, und Jesus wusste das. Deshalb sagt er als erstes: „Euer Herz erschrecke nicht!“ Er richtet sie also auf und ermutigt sie zum Glauben, und zwar zum Glauben an Gott und an ihn: „Glaubt an Gott und glaubt an mich“, sagt er. Der Sohn und der Vater gehören zusammen, es kann den Glauben an den einen nicht ohne den anderen geben, das kommt hier zum Ausdruck.
Und dann folgt das Bild von dem „Haus Gottes mit den verschiedenen Wohnungen“. Das stammt aus der Literatur des späten Judentums. Da haben Propheten ihre Visionen von der himmlischen Welt aufgeschrieben. Sie stellten sie sich wie eine himmlische Wohnstatt Gottes vor, der von seinem Hofstaat umgeben ist. Dort finden auch die Gerechten ihre Heimat. Jesus nennt diesen göttlichen Ort hier das „Haus meines Vaters“, und er verheißt seinen Jüngern, dass sie dort ihre Bleibestätten finden werden. Es ist das Ziel ihres Lebensweges.
Doch wie erreichen sie das? Das fragt Thomas nun.
Und darauf gibt Jesus ihm die berühmte Antwort: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Das ist ein starker Spruch, der bis heute nichts von seiner Strahlkraft verkoren hat. Die beiden Worte „ich bin“ verleihen der Aussage etwas Hoheitliches: Jesus offenbart hier, wer er ist. Wir finden diese Formel an verschiedenen Stellen im Johannesevangelium. Sie ist immer feierlich und würdevoll.
Hier wird dieser Charakter noch dadurch verstärkt, dass Jesus gleich drei Titel nennt, mit denen er beschreibt, wer er ist: „Weg, Wahrheit und Leben“. Aus dem Zusammenhang kann man schließen, dass der Nachdruck auf dem „Weg“ liegt: Jesus ist der Weg zum Vater.
Doch das ist schwer zu verstehen, denn für eine Person ist das ein eher ungewöhnliches Bildwort. Deshalb erläutert Jesus es durch die beiden anderen Begriffe: Er ist der Weg zum Vater, weil in ihm die Wahrheit und das Leben liegen. Er hat die „Wahrheit“ Gottes ja offenbart, er hat den Menschen das Heil gezeigt und angeboten, und dadurch hat er ihnen „Leben“ vermittelt. Damit meint Jesus die ganze Fülle des Lebens, das auch nach dem Tod noch weiter geht, d.h. die Befreiung aus dem Todesbereich und die Überwindung der Todesgrenze. Er führt jeden, der an ihn glaubt, in die göttliche Wirklichkeit, er lässt ihn am Leben Gottes teilhaben, des lebendigen Vaters und Ursprungs. Deshalb ist Jesus der „Weg“ zum Vater.
Er führt die Gläubigen in die Gemeinschaft mit ihm und damit zum Ziel ihres Lebens. Das ist hier die Botschaft, und damit kann Jesus die Jünger kurz vor der Trennung tatsächlich gut aufrichten und ermutigen, denn sie ist sehr tröstlich.
Für uns sind das ebenso beruhigende Worte, die uns zeigen, wo es lang geht. Wir müssen sie nur in unser Leben übertragen, und dafür ist das Bild von dem Weg und dem Ziel sehr gut geeignet. Auch unabhängig davon, wie Jesus es hier einsetzt, können wir unser Leben damit beschreiben:
Es ist wie eine Wanderung, bei der wir eine Vorstellung davon haben, wo wir hin wollen. Denn unser Leben geht Tag für Tag weiter, und wir haben immer etwas vor Augen, das wir erreichen möchten. Wir haben Wünsche und Träume, Pläne und Vorhaben. Dabei muss es sich gar nicht um irgendetwas Besonderes oder Individuelles handeln. Es gehört zu unserer menschlichen Natur, dass wir uns vorstellen, wie unser Leben am besten sein soll.
Das fängt schon damit an, dass wir alle gerne gesund sein wollen. Krankheiten mögen wir nicht, und wir tun viel, um sie zu verhindern und auszukurieren. Aber das ist nicht alles. Auch Erfolg ist ein ganz natürlicher Wunsch, ob im Beruf oder im privaten Bereich: Wir möchten mit dem, was wir können, weiterkommen und Anerkennung finden. Und natürlich will niemand allein sein. Das Streben nach Gemeinschaft ist ein weiteres allgemeines Ziel, das wir alle teilen.
Wir wünschen uns Zuwendung und Liebe. Frieden und Wohlstand gehören ebenfalls zu den Dingen, nach denen sich eigentlich alle Menschen sehnen. Krieg und Terror sollen fern bleiben und dort, wo sie toben, doch bitte aufhören.
Solche Gedanken haben wir immer wieder, Gedanken darüber, wie wir uns das Leben vorstellen. Am Anfang eines neuen Jahres bewegen sie uns besonders. Da schauen wir nach vorne und malen uns aus, was wohl alles kommen wird. Einiges haben wir geplant, anderes ist noch offen. Auf jeden Fall soll es uns aber gut gehen, sowohl privat als auch gesellschaftlich.
Doch erreichen wir das auch?
Wer zeigt uns den Weg?
Wer sorgt dafür, dass wir uns nicht verirren?
Der Gedanke an die Zukunft ist immer mit Unsicherheit verbunden, eventuell sogar mit Angst und Sorge. Es ist wie bei einer Wanderung: Wir haben zwar die richtigen Karten, d.h. im Großen und Ganzen wissen wir, was wir tun müssen, aber wir sind nie davor geschützt, den richtigen Weg zu verlieren. Es gibt zu viele Unwägbarkeiten. Das Leben gelingt nicht einfach so, der Druck ist manchmal groß.
Und dahinein ist das Wort Jesu eine wunderbare Botschaft. Um die zu verstehen, ist es gut, wenn wir es von hinten lesen und zunächst auf das Ziel achten, dass Jesus vor Augen hatte: „zum Vater kommen“, darum geht es ihm, das wollte er und das bietet er seinen Jüngern an.
Und das ist ein provozierender Gedanke. Jesus definiert damit nämlich ein ganz anderes Ziel, als wir es tun. Ihm geht es nicht um Gesundheit oder Erfolg, Gemeinschaft und Frieden, also um etwas Innerweltliches, sondern um die ewige Heimat bei Gott, um das Erreichen des Hauses Gottes. Und damit stellt er uns etwas vor, das uns zu denken geben kann, etwas Großes und Wunderbares.
Alles andere ist von vorne herein kleiner, denn dieses Ziel weist über die Welt hinaus. Es relativiert unsere irdischen Wünsche, und stellt sie auch in Frage. Das sollten wir jedenfalls einmal zulassen und alles, wonach wir uns sehnen, auf diesem Hintergrund überprüfen.
Wir können uns fragen: Ist es wirklich so wichtig, dass wir gesund und erfolgreich sind? Ist es nicht viel entscheidender, dass wir den Himmel nicht versäumen, „dass uns werde klein das Kleine und das Große groß erscheine“? So ist es in einem Ewigkeitslied aus dem 19. Jahrhundert formuliert. (Evangelisches Kirchengesangbuch, Ausgsbe für die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche, 45. Auflage 1984, Nr. 485,4).
Wenn wir uns darauf einlassen, fällt ein ganz großer Teil des Drucks, den wir uns normaler Weise machen, von uns ab. Ängste verschwinden, innere Fesseln lösen sich. Wir können uns entspannen und loslassen, weil wir uns auf etwas besinnen, das unseren Geist weitet und unsere Seele befreit.
Und Jesus malt uns nicht nur dieses schöne Ziel vor Augen, er spricht gleichzeitig von dem Weg, der dorthin führt, und das ist gut, denn wie sollen wir den kennen? Jesus weiß, dass das nicht möglich ist. Ein Ziel, das über die Welt hinausweist und uns in eine ganz andere Dimension führt, können wir von uns aus nicht erreichen. Das wäre viel zu viel verlangt. Das ist Jesus klar. Und er sagt auch nicht nur: Ich helfe euch, steh euch bei und zeig euch den Weg, sondern: „Ich bin der Weg.“ und das heißt, wir müssen nur auf ihn vertrauen.
Es geht im Glauben nicht darum, dass wir aus eigener Kraft zum Vater kommen.
Wir müssen uns vielmehr auf Jesus einlassen, an seine Offenbarung glauben uns ihm hingeben. Dann werden wir aus dem Bereich des Todes befreit und in die göttliche Wirklichkeit geführt. Jesus bringt die Gläubigen in die Gemeinschaft mit Gott, dem Vater, und damit zum Ziel ihres Lebens.
Und dabei gibt es auch kein Verirren, das ist praktisch ausgeschlossen. Wer auf Jesus vertraut, ist auf der sicheren Seite, ganz gleich, was sonst alles im Leben geschieht. Selbst wenn wir andere Ziele nicht erreichen, sind wir weiter geborgen. Die Gemeinschaft mit Gott lässt sich durch nichts zerstören, im Gegenteil: Sie gibt uns Halt und Trost, wenn einmal etwas schief geht. Wenn wir krank werden, Niederlagen erleiden und einsam sind, dann bleibt Gott trotzdem bei uns, dann sind wir weiter in seiner Nähe. Im Leben und im Sterben kann uns nichts von ihm trennen.
Das ist der große Trost, den Jesus uns hier gibt. Wenn wir ihn annehmen, sind wir in Ewigkeit geschützt und bewahrt.
Und auf wunderbare Weise gehen auch innerweltliche Wünsche dabei manchmal in Erfüllung. Denn es ist zutiefst heilsam, so zu glauben und zu vertrauen, sich so auf Jesus auszurichten. Es gibt uns Kraft und Zuversicht, wir werden gelassen und hoffnungsvoll, das Leben wird schöner und bunter.
Das wichtigste, was wir bedenken und beherzigen sollten, ist deshalb Jesus, denn er ist „der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Wer das Glück sucht, indem er andere Ziele verfolgt, soll das gerne tun, „mein Herz allein bedacht soll sein, auf Jesus sich zu gründen“, (Evangelisches Gesangbuch Nr. 346,1) denn das ist heilsamer und befreiender als alles andere.
Amen.