„Nicht du trägst die Wurzel,
sondern die Wurzel trägt dich“
Es hat mit einer Geburt angefangen. Klar, mit der Geburt Jesu hat es angefangen, in einem Stall zu Betlehem im Lande Juda. Hier hat das Christentum seinen Anfang. Das ist die einfache Antwort.
Aber keine Geburt kommt aus dem Nichts. Immer gibt es ein Davor, eine Geschichte, einen Zusammenhang. Darauf verweist der zugespitzte Spruch von der Wurzel. Der Apostel Paulus schreibt diesen Satz der jungen Christengemeinde in Rom. Dort ringt man miteinander, wie sich das Verhältnis zu denen gestalten soll, die aus der jüdischen Glaubenstradition kommen und die darin auch bleiben.
Wie soll man das Neue leben, wenn man auf Christus getauft ist?
Alles „Alte“ wegwerfen? verachten? Bekämpfen?
Gehört man denn jetzt als Christ zu den Besseren, den Richtigeren?
Kann man alles vergessen, was an Glaubenswissen und Glaubenspraxis aus dem Volk Israel überliefert ist?
Das geht gar nicht, sagt Paulus, wenn er im 11. Kapitel im Römerbrief schreibt: …. ist die Wurzel heilig, so sind es auch die Zweige. Wenn ….du aber als Zweig vom wilden Ölbaum mitten unter ihnen eingepfropft wurdest und damit Anteil erhieltest an der kraftvollen Wurzel des edlen Ölbaums, rühme dich nicht gegen die anderen Zweige!
Wenn du dich aber rühmst, sollst du wissen:
Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.
Paulus vergleicht den jüdischen Glauben mit einem edlen Ölbaum mit kraftvollen, ja heiligen Wurzeln. Die aus heidnischen Glaubensrichtungen kommenden neuen Christen vergleicht er mit Zweigen eines wilden Ölbaums. die durch die Verbindung mit Christus in den alten Ölbaum eingepfropft wurden und auch aus seinen Wurzeln die tragende Kraft ziehen.
Im jüdischen Volk hat Jesus seinen Ursprung, hier kommt er her. Seine Eltern und seine Vorfahren, seine Welt, seine innige Beziehung als geliebter Sohn zu seinem Vater im Himmel, sein Beten und seine Botschaft – alles wurzelt tief in der Glaubenstradition Israels . Weihnachten, Jesus, der christliche Glauben stehen in einer langen Geschichte Gottes mit seinem Volk, ja mit der ganzen Menschheit.
Zwei Evangelisten haben deshalb Jesus auch in einen Stammbaum hineingestellt. Matthäus startet den Stammbaum Jesu mit Abraham und Lukas mit dem „Adam, dem Ursprungsmenschen, der von Gott stammt“.
Es ist eine große Tragik, dass die Kirche diese untrennbare Verbindung mit ihre Wurzel immer wieder vergessen und verachtet hat. Schlimmer noch: Sie hat sie bekämpft und versucht, zu vernichten. Dies gehört leider zu den dunkelsten Kapiteln der Geschichte des Christentums, die weit ins 20. Jahrhundert hinein reicht.
Erst das 2. Vatikanische Konzil erinnert wieder daran, dass die Kirche die Anfänge ihres Glaubens und ihrer Erwählung bei den Patriarchen, bei Mose und den Propheten findet. „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.“ Es ist die Glaubensgeschichte des jüdischen Volkes, aus dem heraus das Christentum wächst. „Nicht wir Christen haben die Glaubenswurzel aus uns selber, sondern die jüdische Wurzel trägt uns Christen.“
Deshalb sind wir Christen gut beraten, das Judentum als unsere Wurzel zu achten und unseren Glauben daraus nähren zu lassen. Juden sind unsere älteren Geschwister im Glauben. Nicht nur im Advent, aber gerade in dieser Zeit ist es gut, diese Beziehung zu pflegen, denn: Wer einen starken Baum liebt, der liebt auch seine Wurzeln.
Mit den Juden teilen wir übrigens auch die adventliche Erwartung auf das Kommen des Messias. Die Juden erwarten seine erste und endgültige Ankunft. Wir Christen erwarten die endgültige Ankunft des auferstandenen Christus zur Vollendung der Welt. Besonders sichtbar und hörbar wird die Wurzelkraft des jüdischen Glaubens in den biblischen Schriften, die wir „Altes Testament“ nennen. Noch respektvoller ist es, vom „Ersten Testament“ zu sprechen.
Herkunft: klb-augsburg.de