Von der Gebundenheit zur Lösung
“Und er nahm ihn von der Volksmenge weg besonders und legte seine Finger in seine Ohren; und er spützte und rührte seine Zunge an;” Markus 7:33
“Jesus nahm den Taubstummen von dem Volk besonders.” Noch heute nimmt er die Menschen besonders vom Volk. Jede Heimsuchung durch Krankheit oder Trübsal ist ein solches “Besondersnehmen”. Vielleicht klagst du: Mir geht es besonders schlecht, ich bin besonders hart betroffen. Sieh es so an, dass er dich besonders nimmt, weil er etwas Besonderes mit dir vorhat, dir einen besonderen Segen, eine besondere Erfahrung seiner Gnade zugedacht hat! Lass dich willig auf die Seite, in die Stille führen!
Der Herr Jesus geht nicht schablonenhaft zu Werke. Die Leute meinten, er solle dem Taubstummen die Hände auflegen, wie sonst oftmals. Diesmal verfuhr er anders. Der Heiland geht bei seinen Kuren auch nicht summarisch vor, er verfährt nicht in Bausch und Bogen. Er widmet sich jedem einzelnen besonders. Er geht ein auf seine besonderen Bedürfnisse und Schäden. Bei dem Taubstummen legte er die Finger in die Ohren. Da hatte das Übel seinen Sitz. Der Heiland legt den Finger auf den Schaden.
Vielen ist dies zuerst unleidlich, wenn er durch seinen Geist im Gewissen an die kranken Stellen rührt und bei der Wortverkündigung oder in der Einzelunterredung durch seine Werkzeuge an den wunden Punkt gelangt. Aber entziehe dich dem nicht! Der Heiland legt den Finger nicht hin, nur um dir Pein und Schmerz zu verursachen, sondern um zu heilen. Ferner brachte er an die Zunge des Stummen etwas von seinem Speichel. Das konnte dem Taubstummen rätselhaft und sinnlos erscheinen, hatte aber einen tiefen Sinn.
Der Speichel gehört zu den wichtigsten und unentbehrlichsten Säften des Leibes. Von diesem Lebenssaft nimmt der Heiland etwas: ein Abbild seines aufopfernden, hingebenden Handelns. “Es ist eine Kraft von mir ausgegangen”, lesen wir einmal. Die Wunder waren nicht Kunststücke, die er hinzauberte. Es war ein inneres Aufnehmen der Leiden und Krankheiten und ein Spenden seiner Kraft. Zuletzt hat er sein Blut, den eigentlichen Lebenssaft, den Träger des Lebens, für uns hergegeben. Einen solchen Heiland haben wir, einen Retter, der sich in Liebe für uns dargibt. Wollen wir uns ihm nicht anvertrauen mit den Schäden, die doch niemand heilen kann als nur er?
Gott rufet noch, ob ich mein Ohr verstopfet, er stehet noch an meiner Tür und klopfet. Er ist bereit, dass er mich noch empfang’; er wartet noch auf mich; wer weiss, wie lang?
“und, gen Himmel blickend, seufzte er und spricht zu ihm: Ephata! das ist: Werde aufgetan!” Markus 7:34
“Auch ein Vorrecht der Kinder Gottes Jesus sah auf gen Himmel.” Wiederholt lesen wir dies von Jesu. Er erwartete alles vom Vater, ließ sich alles von oben geben. So blickte er auf, als 5000 hungrige Menschen vor ihm lagerten und nur fünf Brote und zwei Fischlein unter seinen Händen waren. Er sah nicht auf den winzigen Vorrat. Er rechnete mit den Schätzen seines Vaters. Er sah auf am Grab des Lazarus. Er blickte weg von der Hoffnungslosigkeit des Todes auf die Lebensherrlichkeit seines Vaters. So sah er empor gen Himmel, als der Taubstumme vor ihm stand. Sein Blick blieb nicht haften an dem menschlichen Elend. Er hielt sich an die überschwengliche Kraft Gottes.
Wohl dem, der aufblicken kann! Kinder Gottes können und dürfen das. Ihr Auge ist geöffnet: für den Himmel, für Gott, den Allmächtigen und Gegenwärtigen. “Meine Augen sehen stets zu dem Herrn” sagt David. Er hatte diesen Glaubensblick. Hier unten sieht man viel Not, Leid, Schwierigkeiten, Hemmnisse. Wer nicht aufblicken kann, schaut missmutig, düster und traurig drein. “Die aber den Herrn ansehen, werden erquickt.” Das Auge bekommt neues Leuchten und starrt nicht glanzlos auf die traurige Lage. Als Hanna, die Mutter Samuels, ihr Herz vor dem Herrn ausgeschüttet hatte, also den Blick wegwandte von den unerquicklichen, demütigenden, drückenden Umständen ihres Lebens, da “sah” sie nicht mehr so traurig. Der sorgenvolle Blick schwindet, wenn man richtig aufblicken kann zu dem, der mit allen Schwierigkeiten fertigwerden und jedem Mangel abhelfen kann.
Oft ist man in einer Lage, wo man nicht die Hände falten und ein förmliches Gebet sprechen kann. So erging es dem Nehemia, als er vor König Artaxerxes stand und dieser ihn fragte, warum er so übel aussähe. Der Gram um sein geliebtes Jerusalem frass an seinem Herzen. Denn noch lag die Stadt in Trümmern. Aber er fürchtete sich, dies dem König zu sagen, durch dessen Gunst er zum königlichen Mundschenk erhoben worden war. Er musste befürchten, dass der König dieses Hängen an Jerusalem übelnehmen werde, hatte er ihm doch eine so glänzende Stellung verliehen. Aber schließlich rückte er doch offen heraus. Darauf fragte der König: Was forderst du? Nehemia hätte gern einen längeren Urlaub zur Reise nach Jerusalem gehabt. Darf ich’s sagen, werde ich nicht in Ungnade fallen? “Da betete ich zu dem Gott des Himmels” – nicht mit Worten und Gebärden. Es war ein stiller, mächtig andringender Blick nach oben, und siehe – es ging alles herrlich hinaus. Wer aufblicken kann, ist selig dran.
Blicke nur auf Jesum mitten in dem Streit! Wird der Kampf auch heißer, Hilfe ist bereit. Ist der Feind gleich mächtig, deine Kraft nur klein; Blicke nur auf Jesum, sein Sieg ist auch dein!
Herkunft: Carl Eichhorn (* 11.07.1810; † 08.02.1890) deutscher lutherischer Pastor