Wie Jesus Herzen an sich zog
„… alles an ihm ist lieblich“ (Hoh 5:16).
Jesus lässt Sich niemals zur Milde verleiten, wenn die Gelegenheit Festigkeit erforderte, obwohl Er an so vielen Umständen vorüberging, die die menschliche Empfindlichkeit geahndet hätte, und die nach dem sittlichen Gefühl des Menschen geahndet zu werden verdienten. Er wollte Seine Jünger nicht gewinnen durch das armselige Mittel einer liebenswürdigen Natur.
Von den Feueropfern Jehovas war sowohl „Honig” als auch „Sauerteig” ausgeschlossen. Im Speisopfer durfte nichts davon vorkommen (3. Mose 2:11); und so zeigte sich auch in dem Herrn Jesus, dem wahren Speisopfer, nichts von beidem. Es war nicht eine rein menschliche, natürliche Liebenswürdigkeit, die den Jüngern in ihrem Lehrer entgegentrat. Bei Ihm war jene Höflichkeit nicht, die stets den Geschmack anderer zu erraten und zu befriedigen trachtet.
Er suchte nicht Sich angenehm zu machen, und doch zog Er die Herzen in der innigsten Weise an Sich; und das ist Macht. Es ist immer ein Beweis von sittlicher Kraft, wenn man das Vertrauen eines anderen erlangt, ohne es zu suchen; denn in diesem Fall hat das Herz die Wirklichkeit der Liebe erkannt.
„Wir alle wissen”, sagt ein anderer Schreiber, „wahre Zuneigung von bloßer Aufmerksamkeit und Freundlichkeit wohl zu unterscheiden; das eine kann in großem Maße vorhanden sein, ohne dass sich von dem anderen auch nur eine Spur vorfindet. Manche mögen meinen, sich durch Aufmerksamkeiten das Vertrauen anderer erwerben zu können; aber wir wissen nur zu wohl, daß nichts anderes als Liebe dazu imstande ist”.
Wie wahr ist das! Eine bloß äußerliche Freundlichkeit ist Honig; und wie viel von diesem armseligen Material mag sich wohl unter uns finden! Wir streben vielleicht nach nichts Höherem, als den Sauerteig auszufegen und die Leere mit Honig anzufüllen, und denken so gern, dass dann alles in Ordnung sei.
Wenn wir nur liebenswürdig sind im Umgang und anderen zu gefallen trachten und alles Mögliche tun, um mit jedem auf gutem Fuß zu leben, unseren Platz auf dem wohlgeordneten und glatten Boden der menschlichen Gesellschaft geziemend ausfüllen, so sind wir mit uns selbst zufrieden, und andere haben auch nichts an uns auszusetzen. Aber heisst das Gott dienen? Ist das ein Speisopfer? Glauben wir wirklich, daß das einen Teil der moralischen Herrlichkeit des vollkommenen Menschen ausmacht? Gewiss nicht!
Wir mögen vielleicht meinen, dass nichts besser und kräftiger wirken kann, um jenes hohe Ziel zu erreichen; aber dennoch bleibt es eins der Geheimnisse des Heiligtums, dass kein Honig angewendet werden durfte, um dem Opfer einen lieblichen Geruch zu verleihen.
Fragen für unser Leben:
Was zieht Dich an der Person des Herrn Jesus am meisten an?
Wie versuchst Du das Vertrauen anderer zu gewinnen?
Wie Er dem Glauben begegnete
„Fürchte dich nicht; glaube nur“ (Mk 5:36).
Der Herr Jesus wies niemals den schwächsten Glauben ab, obwohl Er andererseits mit Freuden dem kühnsten Glauben entgegenkam und seinem Verlangen willig entsprach. Der starke Glaube, der ohne Umschweife und ohne sich zu entschuldigen in voller Zuversicht Ihm nahte, fand bei Ihm stets eine willkommene Aufnahme, während die schüchterne Seele, die Ihm nur ängstlich und verschämt zu nahen wagte, ermuntert und gesegnet wurde.
Der Belohner des Glaubens
Das Wort, das von den Lippen des Herrn kam, befreite den armen Aussätzigen augenblicklich von der einen schrecklichen Sache, die wie eine dunkle Wolke über seinem Leben hing. „Herr!” sagte er, „wenn du willst, kannst du mich reinigen.” „Ich will, sei gereinigt!” antwortete der Herr Jesus.
Kurz nachher kann Er die Freude zum Ausdruck bringen, die Er in Seinem Herzen empfand im Blick auf den zuversichtlichen, nicht zweifelnden Glauben des heidnischen Hauptmanns. Ähnliches finden wir, wenn der kühne, ernste Glaube einiger Männer in Israel das Dach des Hauses abdeckte, in dem der Herr Sich befindet, um ihren Kranken vor Seine Füße hinabzulassen.
Tadel für Kleinglauben
Wenn ein schwacher Glaube sich an den Herrn wandte, so gewährte Er die Segnung, die der schwache Glaube suchte; aber Er tadelte den Menschen, der in dieser Weise zu Ihm kam. Doch ist selbst ein solcher Verweis stets voll von Ermutigung für uns; denn er scheint uns zu fragen: „Warum machst du keinen ausgedehnteren, freieren und glücklicheren Gebrauch von mir?”
Schätzten wir nur den Geber so hoch wie die Gabe, das Herz Christi so hoch wie Seine Hand, so würde uns die Beanstandung des schwachen Glaubens so köstlich sein wie die Antwort, die er hervorlockt. Und wenn der schwache Glaube in dieser Weise durch Ihn getadelt wird, wie willkommen muss dem Herrn dann ein starker Glaube sein!
Freude über den Glauben
Wir können daher einigermaßen begreifen, welch ein lieblicher Anblick es für den Herrn sein musste, als in dem oben erwähnten Fall die vier Träger des Gichtbrüchigen das Dach abdeckten, um in Seine Nähe zu kommen. Ja, es muss ein herrliches Schauspiel für unseren hochgelobten und göttlichen Heiland gewesen sein. Der Glaube dieser Männer erquickte Sein Herz ebenso wie der Glaube des Hauptmannes zu Kapernaum.
Fragen für unser Leben:
Wodurch wird Glauben in Deinem Leben sichtbar?
Gibt es etwas, was Dich davon abhält, Gott mehr zu vertrauen?
Jesus kennen, wie Er ist
„Da sie wegen der Volksmenge keinen Weg fanden, ihn hineinzubringen, stiegen sie auf das Dach und ließen ihn mit dem Tragbett durch die Ziegel hinunter in die Mitte vor Jesus. Und als er ihren Glauben sah …“ (Lukas 5:19-20).
Die Männer von Kapernaum, die ihren gelähmten Freund zu Ihm bringen, verstehen den Herrn und nehmen Seinen Dienst in Anspruch. Sie verstehen, meine ich, was Er in Sich Selbst, in Seinem Charakter, in Seinen Gewohnheiten und in den Empfindungen Seiner Seele ist. Schon die Art und Weise, wie sie sich Ihm zu nähern suchen, zeigt uns das.
Sie kommen nicht zweifelnd oder schüchtern und ängstlich, sie machen es vielmehr wie Jakob, als Er sagte: „Ich lasse dich nicht los, du habest mich denn gesegnet” (1. Mo 32)! Wenn man dem Herrn Jesus in dieser Weise naht, ist Ihm das angenehm. Seine Liebe sieht uns gern so handeln.
Sie fragen nicht um Erlaubnis, sie machen keine Umstände, sondern decken ohne weiteres das Dach des Hauses ab, um zu Ihm zu kommen. Alles das zeigt uns, dass sie den Herrn kannten und mit Seiner Hilfe rechneten. Sie wussten, daß es Seine Freude war, wenn Notleidende Seiner Gnade vertrauten und ohne Rückhalt auf Seine Macht vertrauten.
Levi handelt kurze Zeit später in gleicher Weise. Er richtet ein Gastmahl zu und lässt Zöllner und Sünder in der Nähe Jesu Platz nehmen. Auch hieraus geht hervor, dass Levi seinen Gast kannte. Er wusste, wen er geladen hatte, so wie Paulus wusste, an „wen er geglaubt hatte” (2. Tim 1:12).
Diese Erkenntnis des Herrn ist wirklich gesegnet; sie ist göttlich. Fleisch und Blut können sie uns nicht geben. Die Brüder Jesu besassen sie nicht; denn als der Herr Sich in Seinem Dienst erschöpfte, sagten sie: „Er ist außer sich” (Mk 3:21). Aber der Glaube macht im Blick auf den Herrn Jesus große, köstliche Entdeckungen und handelt demgemäß.
Es mag manchmal scheinen, als ob er die richtigen Grenzen überschritte und uns über das geziemende Maß hinausführte; aber nach dem Urteil Gottes ist das nie der Fall. Die Menge gebot dem blinden Bartimäus zu schweigen; aber er weigerte sich, weil er den Herrn Jesus kannte, wie Levi Ihn kannte (Mk 10).
Fragen für unser Leben:
Betest Du dafür, dass Gott Dir hilft mehr zu erkennen wie der Herr Jesus denkt und empfindet?
Spiegelt Dein Glaubensleben das wieder, was Du von dem Sohn Gottes erkannst hast?
Der große Geber
„Also nun, wie wir Gelegenheit haben, lasst uns das Gute wirken gegenüber allen“ (Gal 6:10).
Der Herr Jesus tat Gutes und lieh aus, ohne etwas zurückzuerwarten. Er gab, und Seine linke Hand wusste nicht, was die Rechte tat. Niemals, bei keiner Gelegenheit, soviel ich weiß, erhob Er Anspruch auf die Person oder den Dienst derer, die Er befreit oder geheilt hatte. Niemals leitete Er aus der durch Ihn bewirkten Befreiung von irgendeinem Übel die Verpflichtung her, Ihm zu dienen. Er liebte und heilte und rettete, ohne eine Vergeltung zu erwarten.
Wie Er gab
Er wollte nicht, daß der Gardarener, dessen unreiner Geist sich „Legion” genannt hatte, Ihm folgte. Den Jungen, den Er am Fuß des Berges heilte, gab Er seinem Vater zurück (Mt 17). Die Tochter des Jairus ließ Er im Kreis ihrer Familie. Den Sohn der Witwe zu Nain gab Er der weinenden Mutter wieder. Nicht einen von diesen allen forderte Er für Sich. Sollte Christus wohl etwas geben, um es wieder zurückzuerlangen? Ist Er, der vollkommene Meister, nicht der beste Vollstrecker Seiner Worte:
„Tut Gutes und leiht, ohne etwas wieder zu hoffen” (Lk 6:35)?
Die Natur der Gnade
Die Natur der Gnade ist, andere zu beschenken, nicht aber sich selbst zu bereichern; und Jesus kam, damit in Ihm und in allen Seinen Wegen die Gnade in ihrem unausforschlichen Reichtum und in der ihr eigentümlichen Herrlichkeit hervorstrahlte.
Er fand Knechte in dieser Welt; aber Er begann nicht damit, sie zu heilen, um dann Seine Ansprüche an sie geltend zu machen. Er berief sie und teilte ihnen Gaben mit. Sie waren die Frucht der Energie Seines Geistes; ihre Herzen waren durch Seine Liebe ergriffen. Und als Er sie aussandte, rief Er ihnen zu:
„Umsonst habt ihr empfangen, umsonst gebt” (Mt 10:8).
Fragen für unser Leben:
Bist Du eher jemand der nur empfängt oder jemand der Freude am Geben hat?
Nutzest Du das, was Gott Dir in Gnade anvertraut hat (Geld, Besitz, Gnadengabe(n), etc.), zum Segen für andere?
Seine Beziehung zu Gott
„Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht“ (Joh 1:18).
„Denn Gott ist einer, und einer ist Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus“ (1. Tim 2:5).
Der Herr offenbart in Seinem Dienst auf der Erde eine ebenso wunderbare Kombination moralischer Herrlichkeiten wie in Seinem Charakter. Hinsichtlich dieses Dienstes können wir den Herrn in Beziehung zu Gott, zu Satan und zu dem Menschen betrachten. In Seinem Verhältnis zu Gott stellte der Herr Jesus in Seiner Person und in Seinen Handlungen stets den Menschen so vor Gott dar, wie der Mensch nach dem Willen Gottes sein sollte. Er stellte die menschliche Natur wieder her als ein Friedensopfer lieblichen Geruchs (3. Mose 3), als einen reinen, duftenden Weihrauch, als eine reine Garbe der auf menschlichem Boden gewachsenen Erstlingsfrüchte.
Er führte den Menschen in die Gunst Gottes zurück, die durch Adam oder durch die Sünde verloren gegangen war. Gott reute es, dass Er den Menschen gemacht hatte (1. Mo 6:6), aber diese Reue verwandelte sich in Wonne und Wohlgefallen an dem Menschen. Und dieses Opfer wurde Gott dargebracht inmitten aller Widersprüche, aller entgegenwirkenden Umstände, aller Mühsale, Leiden und beständigen Enttäuschungen. Wunderbarer Altar! Wunderbares Opfer! Es war, wie schon früher bemerkt, ein unendlich reicheres Opfer, als es eine Ewigkeit von Unschuld im Paradies hätte sein können. Und ebenso wie Jesus den Menschen vor Gott darstellte, so stellte Er auch Gott vor dem Menschen dar.
Weil Adam in Sünde fiel, hatte Gott Sein Ebenbild nicht mehr auf Erden; aber jetzt fand Er es in Christus weit vollkommener und herrlicher, als es Adam je hätte darstellen können. Nicht einer sehr guten, makellosen Schöpfung, sondern einer verlorenen und verderbten Welt offenbarte Christus Gott, indem Er Ihn in Gnade vorstellte und sagte: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen” (Joh 14:9). Alles, was Gott ist, und was man von „dem Lichte”, dem niemand nahen kann, zu erkennen vermag, ist uns in dem Herrn Jesus vor Augen gestellt worden.
Wenn wir uns weiter mit dem Dienst Christi in seiner Beziehung zu Gott beschäftigen, sehen wir, dass Christus Sich immer der Rechte Gottes erinnerte, und dass Er stets der Wahrheit und den Grundsätzen Gottes treu blieb, während Er täglich unermüdlich beschäftigt war, die Not der Menschen zu lindern. Mit welchem Anliegen Menschen in ihrem Leid sich auch an Ihn wenden mochten, niemals opferte Er etwas auf, das Gott gehörte.
Bei Seiner Geburt sprachen die Engel sowohl „Herrlichkeit Gott in der Höhe!” als auch „an den Menschen ein Wohlgefallen!” (Lk 2:14) und dementsprechend hatte Er während Seines ganzen Dienstes die Ehre Gottes mit demselben Eifer am Herzen, wie Er Sich dem Dienst der Bedürfnisse und des Heils des Sünders widmete.
Das Echo der Worte: „Herrlichkeit Gott in der Höhe”! und: „Friede auf Erden”! ließ sich sozusagen bei jeder Gelegenheit vernehmen. Die bereits erwähnte Geschichte der kananäischen Frau liefert uns dafür ein lebendiges Beispiel. Solange sie nicht hinsichtlich der Absichten und Ratschläge Gottes den rechten Platz einnahm, konnte Er nichts für sie tun; hernach aber vermochte Er alles.
Fragen für unser Leben:
Wofür können wir den Sohn Gottes anbeten wenn wir diese Gedanken lesen?
Wie können wir das Wort des Lebens (Phil 2,16) heute in dieser Welt darstellen?
Der Unveränderliche
Herrliche Gegensätze
Der, der einst am Brunnen zu Sichar saß, ist Derselbe, der jetzt in den höchsten Himmeln Platz genommen hat. „Der hinabgestiegen ist, ist derselbe, der auch hinaufgestiegen ist über alle Himmel”. Hoheit und Niedrigkeit sind Sein. Er hat einen Platz zur Rechten Gottes und doch läßt Er Sich herab, die Füße Seiner Heiligen auf der Erde zu waschen. Welche Gegensätze vereinigen sich in Ihm! Er büßt nichts von Seiner Würde und Größe ein, wenn Er Sich in Seiner unendlichen Gnade unserer Armut anpasst; nichts mangelt Ihm, was uns dienlich sein könnte, und doch ist Er herrlich, fleckenlos und vollkommen in Sich Selbst.
Ewig Derselbe
Die Zeit brachte keinen Wechsel bei dem Herrn hervor. Dieselben Offenbarungen Seiner Gnade und Seines Charakters vor und nach Seiner Auferstehung bestätigen diese für uns so wichtige Wahrheit. Das, was Er einst war, sagt uns, was Er in diesem Augenblick ist und was Er ewig sein wird, sowohl in Seinem Charakter als auch in Seiner Natur, sowohl im Blick auf uns als auch im Blick auf Ihn Selbst.
„Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit” (Heb 13:8).
Dennoch führte das alles bei dem Herrn keinen Wechsel herbei. „Weder Höhe noch Tiefe, noch irgend ein anderes Geschöpf”, um mit dem Apostel zu reden, konnte Ihn verändern. Die Liebe widerstand allem, und der Herr kehrt zu den Seinigen als Derselbe Jesus zurück, den sie von jeher gekannt hatten. Er nimmt teil an ihrer Arbeit nach Seiner Auferstehung, ja, selbst nach Seiner Himmelfahrt, wie Er es während der Tage Seines Dienstes und Seines Pilgerns mit ihnen getan hatte. Wir sehen das aus dem letzten Vers des Markusevangeliums.
Vor und nach Seiner Auferstehung
In Johannes 3 führt Er einen Rabbi trägen Herzens ins Licht und auf den Weg der Wahrheit, und erträgt ihn mit der ganzen Geduld der Gnade. In gleicher Weise handelt Er nach Seiner Auferstehung mit den beiden Jüngern „unverständigen und trägen Herzens” auf dem Weg nach Emmaus (Lk 24). In Markus 4 bringt Er die Furcht der Seinigen zum Schweigen, ehe Er sie wegen ihres Unglaubens tadelt; Er bedroht den Wind und spricht zu dem See: „Schweig, verstumme!” bevor Er zu den Jüngern sagt: „Was seid ihr so furchtsam? Wie, habt ihr keinen Glauben?”
Gerade so macht Er es in Johannes 21 nach Seiner Auferstehung; Er setzt Sich mit Petrus, als sei nichts vorgefallen, in voller, ungehinderter Gemeinschaft zum Essen nieder, und dann erst zieht Er den Jünger zur Rechenschaft und wirkt auf sein Gewissen ein durch die Worte: „Simon, Sohn Jonas’, hast du mich lieb?”
Der Auferstandene
Bei der Begegnung des auferstandenen Herrn mit Maria Magdalena betont der Evangelist, dass Er Derselbe Jesus war, der sieben Dämonen von ihr ausgetrieben hatte; und Maria erkennt die Stimme Dessen, der sie bei ihrem Namen rief, sofort wieder. Welch eine Ähnlichkeit zwischen dem Christus in Niedrigkeit und dem Christus in Herrlichkeit, zwischen dem Heiland der Sünder und dem Herrn der zukünftigen Welt! Wie laut verkündet uns das alles, dass Er, der einst herniederstieg, sowohl hinsichtlich des Charakters als auch der persönlichen, göttlichen Herrlichkeit „derselbe ist, der auch hinaufgestiegen ist”.
Auch wird Johannes, nachdem sein Herr auferstanden ist, uns als der Jünger vorgestellt, der während des Abendmahls an der Brust seines Meisters gelegen hatte. „Ich bin Jesus!” lautete ferner die Antwort des Herrn von dem erhabensten Platz des Himmels, von der Rechten des Thrones der Majestät her, als Saulus von Tarsus die Frage stellte: „Wer bist du, Herr?” (Apg 9).
Alles das sollten wir auch auf uns persönlich anwenden; wir sind dabei unmittelbar betroffen. Petrus erkannte, dass sein Meister vor und nach Seiner Auferstehung für ihn derselbe war. In Matthäus 16 tadelt ihn der Herr; aber wenige Tage nachher führt Er ihn, und zwar in völliger Harmonie, als ob nichts vorgefallen wäre, mit Sich auf den heiligen Berg.
In Johannes 21 wird Petrus von neuem getadelt. Nach seiner Gewohnheit hatte er sich auf Dinge eingelassen, die seine Begriffe weit überstiegen und, auf Johannes zeigend, die Frage erhoben: „Herr, was soll aber dieser?” Und sein Meister war gezwungen, ihn mit den Worten: „Was geht es dich an?” in seine Schranken zu verweisen. Doch trotz dieser scharfen Zurechtweisung lässt der Herr ihn mit Johannes Sich nachfolgen, darf Petrus Ihn begleiten auf Seinem Weg zum Himmel.
Ein zurechtgewiesener Petrus war einst mit dem Herrn auf den heiligen Berg gestiegen; und derselbe zurechtgewiesene Petrus begleitet jetzt den zum Himmel auffahrenden Herrn, indem er auf diese Weise gleichsam zum zweiten Mal den Berg der Herrlichkeit, den Berg der Verklärung, besteigt.
Er bleibt treu
Welch ein mächtiger Trost liegt in diesem allen für uns! So ist Jesus, unser Herr, „derselbe gestern und heute und in Ewigkeit”, Derselbe während der Tage Seines Dienstes auf der Erde und nach Seiner Auferstehung, Derselbe jetzt im Himmel, in den Er hinaufgestiegen ist, und Derselbe in alle Ewigkeit. Und so wie Er nach wie vor Seiner Auferstehung stets denselben Charakter zeigte und Sich in derselben Gnade offenbarte, so erfüllt Er auch alle Verheißungen, die Er Seinen Jüngern hinterlassen hat.
Fragen für unser Leben:
Was bedeutet es praktisch für Dein Glaubensleben, dass Jesus Christus sich nicht verändert?
Gibt es in diesem Artikel Herrlichkeiten des Herrn Jesus, für die Du Ihn anbeten kannst?
Wunderbare Kontraste
Von Herzen demütig
Der Herr war „arm, aber viele reich machend” – „nichts habend, und alles besitzend”. Diese erhabenen und wunderbaren Zustände wurden bei Ihm offenbar, und zwar in einer Ihm eigentümlichen Weise.
Er nahm die Unterstützung einiger frommer Frauen an, die Ihm mit ihrer Habe dienten, und doch verfügte Er über die ganze Erde und ihre Fülle, um die Bedürfnisse derer zu stillen, die um Ihn waren. Er konnte Tausende in öden Gegenden speisen, während Er Selbst Hunger litt und auf die Rückkehr Seiner Jünger wartete, die ausgegangen waren, um Speise zu kaufen. Das hieß tatsächlich „nichts haben und alles besitzen”.
Seine Gesinnung und Würde
Aber obwohl der Herr arm und bedürftig war, mancherlei Gefahren ausgesetzt, so findet man doch nicht das mindeste bei Ihm, was auf eine unedle Gesinnung hätte hindeuten können. Nie bat Er um eine Gabe, obwohl Er keinen Pfennig besaß; denn wenn Er (jedoch nicht zu Seinem eigenen Gebrauch) einen Denar brauchte (Lk 20,20-26), so war Er genötigt, Sich einen zeigen zu lassen.
Nie floh Er, wenn Er auch in augenscheinlicher Lebensgefahr war; Er zog Sich zurück oder ging, gleichsam vor den Augen Seiner Feinde verborgen, vorüber.
Ich wiederhole daher: Obgleich Armut und Gefahren Sein tägliches Los waren, so haftete Ihm doch nichts an, was unedel gewesen wäre oder mit der vollkommenen Würde Seiner Person im Widerspruch gestanden hätte.
Fragen für unser Leben:
Wofür kannst Du den Sohn Gottes anbeten, wenn Du die diese Gedanken liest?
Wird folgende Aussage auch in Deinem Leben sichtbar: „als Arme, aber viele reich machend; als nichts habend und alles besitzend“ (2. Kor 6:10)?
Worte der Wahrheit
„Treu gemeint sind die Wunden dessen, der liebt“ (Spr 27:6).
Geistliches Unterscheidungsvermögen
In Matthäus 16 gibt Petrus seiner zärtlichen Liebe zum Herrn Ausdruck, indem er sagt: „[Gott] behüte dich, Herr! dies wird dir nicht widerfahren!” Aber der Herr Jesus beurteilt die Worte des Petrus nur nach ihrem moralischen Wert. Uns erscheint es schwer, so zu handeln, wenn man sich bemüht, freundlich zu uns zu sein.
Eine bloß liebenswürdige Natur würde nicht das ernste: „Gehe hinter mich, Satan”! als Antwort auf diese Worte des Petrus gegeben haben. Aber ich wiederhole, der Herr betrachtete diese Worte Seines Jüngers nicht einfach als den Ausdruck eines guten Willens und einer persönlichen Zuneigung zu Seiner Person, sondern Er richtete sie, wog sie ab in der Gegenwart Gottes und fand sofort, daß sie vom Feind herrührten; denn er, der sich in einen „Engel des Lichts” verwandeln kann, verbirgt sich oft hinter höflichen und freundlichen Worten.
Tadel für den Unglauben
In derselben Weise handelte der Herr mit Thomas in Johannes 20. Thomas hatte Ihm mit dem Ausruf „Mein Herr und mein Gott!” gehuldigt. Doch der Herr Jesus war Selbst durch eine solche Huldigung nicht von der sittlichen Höhe herabzubringen, auf der Er stand, und von der aus Er alles hörte und betrachtete.
Ohne Zweifel waren die Worte des Jüngers aufrichtig gemeint und kamen aus einem Herzen, das von Gott erleuchtet war und Reue gegenüber dem auferstandenen Heiland fühlte, und anstatt noch länger zu zweifeln, seine Zweifel fahren ließ und anbetete. Aber Thomas hatte sich so lange wie möglich ferngehalten; er hatte das Maß überschritten.
Zwar waren alle Jünger bezüglich der Auferstehung ungläubig gewesen; aber Thomas hatte erklärt, so lange im Unglauben verharren zu wollen, bis er durch sein Gefühl und seine Augen vom Gegenteil überzeugt werden würde. Das war sein moralischer Zustand gewesen. Der Herr Jesus verurteilt das und stellt Thomas, wie einst den Petrus, an seinen wahren Platz, indem Er zu ihm sagt: „Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt. Glückselig sind, die nicht gesehen und geglaubt haben!”
Der vollkommene Lehrer
Hätten wir uns in einem ähnlichen Fall nicht sehr gewundert? Gewiß hätten wir dem guten Eindruck, den der gute Wille des Petrus und die Huldigung des Thomas auf uns gemacht hätten, nicht widerstehen können. Aber unser vollkommener Lehrer stand nicht für Sich Selbst da, sondern für Gott und für Seine Wahrheit.
Fragen für unser Leben:
Unter welchen Gesichtspunkten beurteilst Du das Verhalten von Glaubensgeschwistern?
Was bedeutet es konkret für Dein Leben nicht für Dich, sondern für Gott und Seine Wahrheit einzustehen?
Er kannte Erniedrigung
„Ich weiß … erniedrigt zu sein“ (Phil 4:12)
Der Herr Jesus wusste auch, „erniedrigt zu sein”. Betrachten wir Ihn z. B. bei den Bewohnern Samarias in Lukas 9:51 ff. Von vornherein versetzt Er Sich im Bewusstsein Seiner persönlichen Herrlichkeit in die Tage Seiner „Aufnahme”; und wie jemand, der als eine Person von hoher Würde sein Herannahen ankündigt, sendet Er Boten vor Seinem Angesicht her. Doch der Unglaube der Samariter verändert die Lage; sie weigern sich, Ihn aufzunehmen. Sie wollen dem Herrn der Herrlichkeit keine gerade Bahn bereiten, und zwingen Ihn, als der Verworfene den bestmöglichen Pfad für sich ausfindig zu machen.
Und diese Stellung, den Platz eines Verworfenen, nimmt Er sofort ein, ohne dass Er irgendwie darüber gemurrt hätte. Indem Er Sich als der Bethlehemit verworfen sieht, wird er wieder der Nazarener (siehe Mt 2); und Er trägt diesen neuen Charakter jenseits des samaritischen Dorfes ebenso vollkommen, wie Er Sich diesseits in jenem anderen Charakter gezeigt hatte.
So also wusste der Herr Jesus, „erniedrigt zu sein”. Das gleiche finden wir in Matthäus 21. Er betritt Jerusalem als „der Sohn Davids”; alles, was Ihn in dieser glorreichen Würde kennzeichnen konnte, umringt und begleitet Ihn. Wie Er auf dem heiligen Berg in Seiner himmlischen Herrlichkeit erschienen war, so erscheint Er hier in Seiner irdischen Herrlichkeit, die Ihm von Rechts wegen gehörte; und wenn der Augenblick es er forderte, wusste Er sie in würdiger Weise zu tragen.
Aber der Unglaube von Jerusalem, wie früher derjenige von Samaria, verändert die Szene; und Er, der als König Seinen Einzug in die Stadt gehalten hat, ist gezwungen, sie wiederum zu verlassen, um sich gleichsam ein Nachtlager zu suchen, wo Er es am besten finden kann. Und so befindet Er Sich, indem Er wusste, „erniedrigt zu sein”, wie einst außerhalb Samarias, so jetzt außerhalb Jerusalems.
Fragen für unser Leben:
Wie gehst Du damit um, wenn Du schlecht behandelt wirst?
Ist es Dein anhaltendes Gebet Deinem Herrn und Meister in der oben geschilderten Haltung ähnlicher zu werden?
Frucht zu seiner Zeit
„Alles hat er schön gemacht zu seiner Zeit“ (Pred 3:11)
Der Herr Jesus war der „Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit” (Psalm 1:3). Alle Dinge sind nur schön zu ihrer Zeit. Die moralische Herrlichkeit des „Kindes Jesus” erstrahlte zu ihrer Zeit und an ihrem Platz; und als das Kind zum Mann geworden war, zeigte sich dieselbe Herrlichkeit unter anderen, der Zeit gemäßen, Formen.
Wenn Seine Mutter ihre Ansprüche geltend machte, so wusste Er, wann Er ihnen genügen musste; Er wusste auch, wann Er ihnen entgegenzutreten, und wann Er sie, selbst ungesucht, anzuerkennen hatte (Lukas 2:51; Lukas 8:21; Joh 19:27). Und überall, wo wir Seinen Schritten folgen, finden wir dasselbe.
Er kannte Gethsemane zu seiner Zeit und nach seinem wahren Charakter, und Er kannte auch den heiligen Berg zu seiner Zeit: es waren die Zeiten des Winters und des Sommers für Seine Seele. Er kannte den Brunnen zu Sichar, wie auch den Weg, der Ihn zum letzten Mal nach Jerusalem führte. Er verfolgte jeden Pfad und füllte jeden Platz aus in einer Gesinnung, die stets in Übereinstimmung stand mit dem Charakter, den die Dinge in den Augen Gottes hatten.
Und das war auch bei solchen Gelegenheiten der Fall, in denen mehr Kraft und Energie erforderlich waren. Wenn es sich um die Entweihung des Hauses Seines Vaters handelte, so verwirklichte sich in Ihm das Wort des Psalmisten: „Der Eifer um dein Haus verzehrt mich” (Psalm 69:9); und wenn Ihm von seiten der samaritischen Dorfbewohner persönliches Unrecht geschah, so ertrug Er alles und setzte Seinen Weg ruhig fort.
Fragen für unser Leben:
Wofür kannst Du den Herrn Jesus anbeten wenn du diese Gedanken liest?
Was können wir praktisch im Blick auf das Thema “Frucht zu seiner Zeit” (Psalm 1:3) von Ihm lernen?
Seine Reaktion wenn Er angegriffen wurde
Er rechtfertigte sich nicht
Wie oft der Herr auch durch Seine Jünger oder durch Seine Widersacher beschuldigt werden mochte, so suchte Er Sich doch nie zu entschuldigen. Bei einer Gelegenheit beklagen sich Seine Jünger über Ihn; sie sagen: „Lehrer, liegt dir nichts daran, daß wir umkommen?” (Mk 4:38). Aber Er denkt nicht daran, Sein Schlafen zu rechtfertigen, das sie mit ihren vorwurfsvollen Worten stören.
Zu einer anderen Zeit machen sie die Bemerkung: „Meister, die Volksmenge drängt und drückt dich, und du sagst: Wer ist es, der mich angerührt hat” (Lukas 8:45)? Doch Er hatte nicht nötig, Seine Frage zu rechtfertigen; das zeigt die sofortige Heilung jener Frau.
Wieder zu einer anderen Zeit sagt Martha zu Ihm: „Herr, wenn du hier gewesen wärest, so wäre mein Bruder nicht gestorben” (Joh 11:21). Aber Er entschuldigt Sich nicht wegen Seines langen Ausbleibens, sondern belehrt Martha über den wunderbaren Charakter, den Sein Zögern hier hatte. Und wie herrlich wurde Sein Zögern gerechtfertigt!
Ohne Ansehen der Person
So war es bei jeder ähnlichen Gelegenheit. Mochte Er beschuldigt oder getadelt werden, Er widerrief nie ein Wort, trat niemals einen Schritt zurück. Er strafte jede Stimme, die sich richtend wider Ihn erhob. Seine Mutter weist Ihn in Lukas 2:48 zurecht; aber anstatt ihre Beschuldigung aufrecht erhalten zu können, muss sie sich durch Ihn von ihrem Irrtum überführen lassen.
Petrus nimmt sich heraus, Ihn mit den Worten zu ermahnen: „Gott behüte dich, Herr! dies wird dir nicht widerfahren” (Mt 16:22). Aber er muss lernen, dass Satan selbst es war, der ihm diesen Rat eingeflüstert hatte. Der Diener im Palast des Hohenpriesters geht noch weiter, indem er den Herrn scharf zurückweist und Ihm einen Backenstreich gibt (Joh 18); aber er wird überführt, angesichts des Gerichtshofes die Gesetze schändlich übertreten zu haben.
Der Schein trügt
Alles das zeigt den Weg des vollkommenen Lehrers. Der Schein mochte zuweilen gegen Ihn sein. Warum schlief Er in dem Schiff, während Wind und Wellen tobten? Warum ließ Er Sich auf dem Wege aufhalten, während die Tochter des Jairus im Sterben lag? Warum blieb Er an dem Ort, wo Er war, als Sein Freund Lazarus in dem abgelegenen Bethanien krank lag? Der Schein war tatsächlich gegen Ihn; aber auch nur der Schein, und auch das nur für einen kurzen Augenblick.
Wir haben von diesen Wegen des Herrn Jesus, von Seinem Schlafen, gehört, von Seinem Zögern auf dem Wege und Seinem Bleiben an einem Ort; aber wir haben auch das Ende dieser Wege gesehen, dass in allem nur Seine Vollkommenheit hervortrat. Auch in den Tagen der Patriarchen war der Schein gegen den Gott Hiobs. Eine Trauerbotschaft folgte auf die andere; war das nicht zu hart und grausam? Aber der Gott Hiobs hatte Sich ebensowenig zu entschuldigen wie der Jesus der Evangelien (Jak 5:11).
Fragen für unser Leben:
Versuchst Du Dich zu rechtfertigen wenn Du fälschlich angeklagt wirst?
Wenn Dich jemand aus Deiner Familie oder aus dem engeren Freundeskreis von konsequenter Nachfolge abbringen möchte, handelst Du dann auch ohne Ansehen der Person?
Herkunft: juengerschaft.org …. J.G.B.