Vom Schätze-Sammeln
“19 Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, da sie die Motten und der Rost fressen und da die Diebe nachgraben und stehlen. 20 Sammelt euch aber Schätze im Himmel, da sie weder Motten noch Rost fressen und da die Diebe nicht nachgraben noch stehlen. 21 Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.” Matthäus 6:19-21
Gott lässt schöne Dinge wachsen. Sie erfreuen Augen, Zunge und Herz. Am Erntedankfest haben wir solche schönen Dinge in der Kirche vor Augen und danken Gott fröhlich dafür: Obst, Gemüse, Getreide und vieles andere mehr. Auch Pilze gehören zu unserer Ernte. Unter den Pilzen gibt es eine ganz besondere Sorte, den weißen Trüffel, der ist das teuerste Lebensmittel der Welt. Vor einigen Jahr wurde ein Riesen-Exemplar davon für über 40.000 Dollar versteigert. Ein alter Restaurantbesitzer aus Amerika hatte sich diesen essbaren Schatz erworben. Er wurde ein paar Tage lang in dem Restaurant ausgestellt, und da geschah es, dass der teure Pilz verschimmelte! Niemand konnte ihn mehr essen. Nun ja, so rechtes Mitleid mit dem alten Mann kann da bei uns nicht aufkommen. Wir sind geneigt, frei nach Jesus zu sagen: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln, wo sie vom Schimmel gefressen werden.“ Auch nicht von Motten. Auch nicht vom Rost. Auch nicht von Holzwürmern – eine andere Übersetzungsmöglichkeit für das Wort, das Martin Luther mit „Rost“ wiedergegeben hat. Schätze der Welt sind niemals sicher, sie sind der Vergänglichkeit unterworfen. Diebe können einbrechen und sie stehlen. Und für die moderne Zeit können wir hinzufügen: Geldentwertung, Steuerlasten und unvorhergesehene finanzielle Belastungen können Erspartes schnell dahinschwinden lassen. Darum der gute Rat unseres Herrn: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln, wo sie die Motten und der Rost fressen.“
Aber was genau meint denn Jesus damit? Meint er, dass wir radikal auf irdischen Besitz verzichten sollen? Dass wir all unsere Konten auflösen sollen, unsere Habe verkaufen und den Erlös an Arme verschenken? Sollen wir Mönche werden, die nichts besitzen als ihre Kutte am Leib, oder Landstreicher, die ihren gesamten Hausrat in einer Plastiktüte verstauen können? Das kann’s doch nicht sein, Jesus, das wäre ja weltfremd, das wäre unrealistisch. Und was würde aus der Menschheit werden, wenn alle so leben wollten …
Nein, so hat es Jesus in der Tat nicht gemeint. Aber wie hat er es denn gemeint? Lasst uns das auf dem Hintergrund anderer Aussagen in Gottes Wort bedenken.
Jesus hat nicht gemeint, dass wir auf Vorratswirtschaft verzichten sollen. Der Josef des Alten Testaments hat in Ägypten den Ernteüberschuss aus sieben fetten Jahren in neue, extra große Scheunen sammeln lassen, damit in den sieben mageren Jahren genug Brotgetreide zur Verfügung steht. Das war klug, das war gut, das war fromm. Mit dieser Vorratswirtschaft hat Josef seinen Mitmenschen und letztlich auch seiner eigenen Familie einen großen Dienst erwiesen. Vernünftiges Wirtschaften und Planen ist gut und geboten; wer sein Geld nicht einteilt, handelt verantwortungslos. Auch in unserer Gemeinde haben wir mit Bedacht aus der Baukasse eine Rücklagenkasse gemacht, damit wir bei unvorhergesehenen Ausgaben nicht in Verlegenheit kommen. Vernünftige Planung und Vorsorge sind gut; Jesu Worte können dagegen nicht ins Feld geführt werden.
Jesus hat vielmehr gemeint, dass wir uns nicht einbilden sollen, unsere Zukunft hängt von unserer eigenen Vorratswirtschaft ab. Das war ja der Denkfehler des reichen Bauern, von dem wir alle Jahre wieder im Erntedankfest-Evangelium hören. Rein äußerlich betrachtet hat er nichts anderes gemacht als Josef: Er hat seine Rekordernte in neuen, extra-großen Scheunen untergebracht. Aber er hatte sich eingebildet, dass sein Leben damit auf Jahre hinaus abgesichert sei. Er hatte vergessen, dass Gott nur das tägliche Brot schenkt, um das er täglich neu gebeten sein will, für das man ihm auch täglich neu danken soll. Er hat so gehandelt wie ein heutiger Mensch, der gründlich für eine gute Rente im Alter vorsorgt und sich dabei einbildet, nun wäre ein sorgenfreies Alter garantiert. Das ist es aber nicht. Was, wenn er krank und pflegebedürftig wird? Dann hat er ja doch wieder großen Kummer, wenn auch vielleicht keinen finanziellen. Was, wenn eine große Wirtschaftskrise das ganze angehäufte Kapital auffrisst? Was, wenn er vorher stirbt? Jesus hat gesagt: „Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ Wem seine materielle Vorsorge zum Schatz wird, wer also daran sein Glück festmachen will, der ist ein Narr, der ist nicht reich für Gott, der wird mitsamt seinen vergänglichen Schätzen verderben.
Jesus hat auch nicht gemeint, dass wir Geld und anderes Materielle, wenn wir’s denn schon gebrauchen, verachten sollen. Bei manchen Leuten gilt es ja als fromm, so zu tun, als ob Geld etwas Schmutziges wäre, etwas moralisch Bedenkliches. Das führt dann schnell zu einer geistigen oder geistlichen Arroganz – so, als ob nur nicht-materielle Werte ihre Berechtigung hätten. Dagegen müssen wir ins Feld führen, dass Gott selbst eine Reihe frommer Menschen mit Reichtum gesegnet hat. Abraham zum Beispiel, oder den König Salomo. Und das 7. Gebot „Du sollst nicht stehlen“ stellt unseren materiellen Besitz unter Gottes Schutz. Die Gelder, die wir im Portmonee oder auf dem Bankkonto haben, sind an sich nicht schmutzig oder verwerflich, sondern es sind gute Gaben Gottes, für die wir dankbar sein können. Geld ist ebenso wenig schmutzig oder verwerflich wie das Schnitzel auf dem Teller oder der Kürbis im Erntedankgottesdienst. Das ist ja gerade die Botschaft des Erntedankfestes: Wir sehen auch die materiellen Dinge des täglichen Brotes als gute Gottesgaben an.
Jesus hat vielmehr gemeint, dass wir an den materiellen Gaben, die Gott uns schenkt, nicht geizig festhalten sollen. Geiz ist eben nicht geil, sondern Geiz ist Sünde. Jesus hat einmal einem reichen jungen Mann gesagt: „Verkaufe deinen Besitz, schenke das Geld den Armen, und dann folge mir nach!“ Er hat das nicht gesagt, weil Reichtum an sich etwas Schlechtes ist, sondern weil diesem jungen Mann der Reichtum auf dem Weg ins Reich Gottes im Wege stand. Der Jüngling hatte sein Herz daran gehängt; darum war er nicht frei, Gott über alle Dinge zu lieben. „Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ Egal wieviel Besitz du hast; egal ob du dich für reich hältst oder für jemanden, der nur gerade eben so mit seinem Geld hinkommt: Sei niemals geizig! Klammere dich nicht fest an dem, was du hast, sondern gibt es gern aus, gib es gern hin – besonders dann, wenn du anderen dadurch helfen kannst. Wer sich leichten Herzens von materiellen Dingen trennen kann zu Gunsten anderer, der wird eine erstaunliche Entdeckung machen: Er wird merken, wie sein Herz dabei frei und fröhlich wird und wie Gott ihn segnet. Das Geld, was er weggegeben hat, um anderen zu helfen, das wird ihm nicht fehlen.
Jesus hat auch nicht gemeint, dass die Freude an den Dingen unserer Welt verboten ist. Es gab ja mal dieses Missverständnis im 19. Jahrhundert und auch vorher bei Christen, die besonders fromm sein wollten. Immer, wenn sie sich an etwas Weltlichem freuten, hatten sie gleich ein schlechtes Gewissen, weil sie ja in dieser Welt eigentlich keine Schätze haben sollten. Das ist eine verkehrte Sicht. Jesus gönnt es uns von Herzen, dass wir uns an den schönen Dingen dieser Welt freuen. Er selbst hat damals bei der Hochzeit in Kana für große Mengen Wein gesorgt, damit die Leute fröhlich weiterfeiern konnten. Und wir dürfen uns heute auch von Herzen an unserem Sonntagsessen zum Erntedankfest freuen. Für das alttestamentlich Erntedankfest hat Gott sogar ausdrücklich geboten, dass die Leute sich beim Festschmaus freuen sollen. Dasselbe gilt auch für andere gute Gaben Gottes. Jesus will, dass wir uns ganzheitlich freuen, an leiblichen wie an geistlichen Gottesgaben.
Jesus hat aber gemeint, dass die Freude an Gott und an seinem Reich alle anderen Freuden überstrahlen soll. „Sammelt euch Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen“, so hat er gesagt. Gott im Himmel soll unser größter Schatz sein, an ihn allein sollen wir unser Herz hängen. Luther hat das in der Auslegung des ersten Gebots trefflich formuliert: „Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen“, so haben wir es aus dem Kleinen Katechismus gelernt. Und im Großen Katechismus hat Luther dann noch erklärt: „Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott.“ Wer also die irdischen Güter über Gott und Gottes Reich stellt, der verfehlt den Willen unseres Herrn, der betet gewissermaßen einen Götzen an. Jesus hat Gottes Reich einmal mit einem wertvollen Schatz verglichen, für den es sich lohnt, den gesamten übrigen Besitz zu verkaufen. Und in der Bergpredigt hat er gelehrt – bald nach den Worten unseres Predigttextes: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit.“ Ist das so bei dir?
„Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“, sagt uns Jesus. Die schönen Dinge des Lebens sind nicht verwerflich und schlecht, aber verglichen mit Gott und seinem Reich sind sie eigentlich kein Schatz, denn sie sind vergänglich und damit längst nicht so wertvoll. Und darum ist es nur folgerichtig, wenn wir unvergängliche Schätze im Himmelreich sammeln, nicht vermeintliche „Schätze“ auf Erden, die keinen Bestand haben. Die gute Nachricht des Evangeliums von Jesus lautet nun: Diese unvergänglichen Schätze im Himmel brauchst du dir nicht selbst zu erarbeiten, das kannst du auch gar nicht, dafür bist du längst nicht gut genug. Diese unvergänglichen Schätze schenkt Gott dir durch seinen Sohn Jesus Christus. Schon mit der heiligen Taufe hat er dir das Himmelserbe in die Wiege gelegt. Durch sein heiliges Wort macht er dich immer wieder von neuem reich.
Und so weisen die Erntegaben, über sich selbst hinaus. Danke, lieber Vater im Himmel, dass du es so gut mit uns meinst! Amen.
Herkunft: predigtkasten.de