Demut ist eins der Haupterfordernisse für gesegnete Wirksamkeit.
„Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig.“ Matthäus 11:29
Demut ist eins der Haupterfordernisse für gesegnete Wirksamkeit. Viele sind aus der Liste der brauchbaren Diener Jesu verschwunden, weil sie sich im Stolz erhoben und dadurch in die Schlinge Satans gerieten.
Ich habe oft das Gefühl, daß bei einigen führenden Christen, die ich nennen könnte, ein großer Mißgriff gemacht worden ist. Sobald sie bekehrt waren, wurden sie ganz aus ihrer früheren Verbindung herausgerissen und als beliebte Prediger in die Öffentlichkeit hineingestellt. Es war sehr schade, daß man kleine Könige aus ihnen machte und so den Weg für ihren Fall bahnte; denn sie konnten den plötzlichen Wechsel nicht ertragen. Es wäre gut gewesen, wenn sie in den ersten zehn oder zwanzig Jahren von jedermann gezwackt und geschmäht worden wären; denn das hätte ihnen wahrscheinlich sehr viel späteres Elend erspart.
Ich bin immer sehr dankbar für die rauhe Behandlung, die ich in meinen frühen Tagen von Leuten aller Art erlitt. In dem Augenblick, wo ich nur irgend etwas Gutes tat, waren sie wie eine Rotte Hunde hinter mir her. Ich hatte keine Zeit, mich niederzusetzen und mit dem zu prahlen, was ich getan hatte; denn sie brüllten und wüteten beständig gegen mich. Wenn ich plötzlich aufgehoben und dahin gestellt worden wäre, wo ich jetzt bin, wäre ich wahrscheinlich ebenso rasch wieder in die Tiefe gestürzt.
Wenn du je in Versuchung kommst zu sagen: „Das ist das große Babel, das ich mir erbaut habe“, so denke an Nebukadnezar. Er wurde von den Leuten verstoßen und aß Gras wie Ochsen; sein Leib lag unter dem Tau des Himmels, bis seine Nägel so lang wie Vogelklauen wurden.
Gott hat viele Mittel, große Nebukadnezars zu beugen, und er kann dich sehr leicht demütigen, wenn du dich in deinem Dünkel erhebst. Gott wird nur dann einen Mann segnen und gebrauchen können, wenn er wahrhaft demütig ist.
Demut heißt nicht, eine niedrige Meinung von sich selbst zu haben. Wenn ein Mann eine niedrige Meinung von sich selbst hat, ist es sehr wohl möglich, daß seine Schätzung richtig ist. Ich habe einige Leute gekannt, deren Meinung von sich nach dem, was sie sagten, allerdings sehr niedrig war. Sie dachten so gering von ihren Kräften, daß sie niemals den Versuch wagten, etwas Gutes zu tun. Sie sagten, sie hätten kein Selbstvertrauen. Mir sind einige bekannt, die so wundervoll demütig waren, daß sie stets einen leichten Platz für sich aussuchten. Sie waren zu demütig, etwas zu tun, was ihnen Tadel zuziehen konnte. Sie nannten es Demut, aber ich dachte, „sündhafte Liebe zur Bequemlichkeit“ wäre eine bessere Bezeichnung dafür gewesen. Wahre Demut wird uns dahin führen, richtig von uns zu denken, nämlich die Wahrheit.
In der Sache des Seelengewinnens macht die Demut uns bewußt, daß wir gar nichts sind und daß wir, wenn uns Gott in unserer Arbeit Erfolg gibt, ihm alle Ehre zuschreiben müssen. Die Ehre der Errettung von Seelen gehört ihm allein. Warum sollten wir versuchen, ihm diesen Ruhm zu stehlen? Du weißt, wie viele diesen Diebstahl schon versuchten: „Als ich an dem und dem Ort predigte, kamen am Schluß des Gottesdienstes fünfzehn Leute zu mir in die Sakristei und dankten mir für die Predigt, die ich gehalten hatte.“ Du und deine schöne Predigt seien gehenkt, denn wirklich, du bist der Verdammung würdig, wenn du die Ehre für dich nimmst, die Gott allein gebührt.
Ich erinnere dich an die Geschichte von dem jungen Prinzen, der in das Zimmer kam, wo sein sterbender Vater, wie er meinte, schlafend lag, und er sich des Königs Krone auf den Kopf setzte, um zu sehen, wie sie ihm passen würde. Der König, der ihn beobachtete, sagte: „Warte eine kleine Weile, mein Sohn, warte, bis ich tot bin.“ Wir tun gut daran, die Krone nicht anzurühren und sie den tragen zu lassen, dem sie von Rechts wegen gebührt.
Es gibt eine Klasse von Menschen, von denen man nicht sagen kann, daß sie besonders leichtfertig oder ungläubig sind, die aber entschlossen sind, sich um nichts zu kümmern. Ihr Motto ist: „Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ Ich möchte euch heute ein Bild von einem solchen Menschen malen. Dort drüben im Haus wohnt ein Bauer. Es herrscht tiefe Nacht. Diebe sind im Begriff einzubrechen. Sie werden weder sein Leben noch seine Güter schonen. Unten im Hof liegt ein Hund angekettet; er bellt, bellt und heult. „Ich kann nicht ruhig schlafen“, sagt der Landmann, „mein Hund macht solchen Lärm.“ Der Bauer kriecht aus dem Bett, nimmt die geladene Flinte, öffnet das Fenster, legt an und erschießt seinen Hund. „So“, brummt er, „nun ist es gut.“ Er geht wieder zu Bett und liegt ganz ruhig da. „Jetzt kann ich sicher schlafen“, sagt er, „denn ich habe den Hund getötet.“ Ach, hätte er doch auf die Warnung des treuen Tieres gehört! Bald wird er das grausame Messer fühlen und seine todbringende Torheit bereuen.
So macht ihr es, wenn euer treues Gewissen sein Bestes tut, euch zu retten – ihr tötet euren einzigen Freund, während der Satan und die Sünde an dem Bett eurer Trägheit heraufklimmen, um eure Seele auf ewig zu ermorden. Was würden wir von dem Seemann denken, der alle Sturmvögel in dem Glauben erschießt, daß es dann keinen Sturm mehr gibt? Würdet ihr nicht sagen: „Welch ein Tor! Diese Vögel werden von der gütigen Vorsehung gesandt, um ihn vor dem Sturm zu warnen. Warum bringt er sie um? Sie sind doch nicht zu fürchten, sondern der Sturm und die tobende See.“ So ist nicht dein Gewissen an dem Aufruhr in deinem Herzen schuld, sondern deine Sünde. Dein Gewissen, das treu seine Aufgabe erfüllt, sagt dir nur, daß bei dir nicht alles in Ordnung ist.
O erwacht, ihr Schläfer, und hört auf euer Gewissen!
Herkunft: Charles Haddon Spurgeon