… von Garrett Kell
Drei Tage waren vergangen, seitdem Jesus gekreuzigt und begraben worden war. Zwei ehemalige Jünger zogen los. Sie begannen die rund zehn Kilometer lange Wanderung zu ihrem Heimatort Emmaus: Es war nicht mehr erforderlich, in Jerusalem zu bleiben. Jesus war tot, und sein Königreich kam nicht.
Kurz nachdem sie aufgebrochen waren, gesellte sich eine unbekannte Person zu ihnen. Ihre Augen aber wurden gehalten, sodass sie nicht erkannten, dass es der auferstandene Jesus war (Lk. 24,16).
Die Jünger waren verwundert, dass dieser mysteriöse Mann offenkundig nichts von dem gehört hatte, was in Jerusalem geschehen war. Wir als Leser sind erstaunt, dass die beiden Männer nicht erkannten, wer zu ihnen sprach.
Voller Erbarmen schlug Jesus gleichsam die Heiligen Schriften auf und begann die wohl herausragendste Bibelarbeit aller Zeiten zu halten: Und er begann bei Mose und bei allen Propheten und legte ihnen in allen Schriften aus, was sich auf ihn bezieht (Lk. 24,27). Versuchen wir uns einmal hineinzudenken, was Jesus Christus gesagt haben könnte.
Möglicherweise hat er gleich mit dem ersten Buch Mose begonnen. Dann stellte er sich als der zweite Adam vor, der der Versuchung widerstanden hatte und Gottes Geboten gehorsam war (1Mos. 2; 3; 1Kor. 15,45-48). Er wies auf sich hin als der, der der verheißene Same der Frau ist, der den Kopf der Schlange zermalmt hat (1Mos. 3,15; 1Joh. 3,8). Er ist die bessere Arche, in der wir durch Glauben Zuflucht finden dürfen, um dem Wasser des Gerichts zu entkommen (1Mos. 6–9; Kol. 3,3; 1Petr. 3,20.21). Vielleicht wies der Herr darauf hin, wie sich Abraham im Glauben freute, den Tag des Heils zu sehen (Joh. 8,56; Röm. 4), oder dass er der verheißene Löwe des Stammes Juda ist, von dem das Zepter niemals weichen wird (1Mos. 49,10; Offb. 5,5), oder dass er der größere Joseph ist, der von seinem Vater geliebt, von seinen Brüdern verraten und unter den Heiden erhöht wird, und dass er derjenige ist, der einer ausgehungerten Welt Brot gibt.
Vielleicht zeigte Christus aus dem zweiten Buch Mose, dass er der größere Mose ist, der sein Volk so führt, dass es dem Gericht entkommt, indem es Schutz findet in dem Blut des Passahlamms auf dem Weg in das verheißene Land (2Mos. 12; Joh. 1,29; 1Kor. 5,7; Hebr. 3–4; 1Pet. 1,19). Eventuell legte der Sohn Gottes dar, wie er das wahre Manna aus dem Himmel ist (Joh. 6,31-35) und das Wasser aus dem Felsen, sodass die, die daraus trinken, nie wieder durstig werden (Joh. 4,14; 1Kor. 10,4).
Dann hätte der Sohn Gottes sich möglicherweise dem dritten Buch Mose zugewendet, um aus dieser heiligen Schrift zu zeigen, dass er die Erfüllung des gesamten Opfersystems ist (Joh. 1,29; Hebr. 4,10). Er ist das makellose Lamm, das dem Vater angenehm ist (1Pet. 1,19; Hebr. 9,14-27). Er ist der bessere Sündenbock, auf den die Sünden der Welt gelegt wurden (3Mos. 16; Hebr. 9; 10). Er ist der größere Hohepriester, der nicht nur ein Opfer dargebracht hat, sondern der sich selbst für uns hingegeben hat (Hebr. 7 – 9).
Jesus Christus nahm seine Jünger daraufhin vielleicht zum vierten Buch Mose. Er hätte dann vermutlich gezeigt, dass er der Bronzeschlange entspricht, die Mose in der Wüste aufgerichtet hatte und die Heilung vom todesbringenden Biss der Schlangen denen vermittelte, die sie im Glauben anblickten (4Mos. 21,4-9; Joh. 3,14.15). Eventuell verwies der Herr darauf, dass er der Stern ist, der verheißen wurde, dass er aus Jakob hervorgehen wird, um das Haupt der Feinde Gottes zu zerschlagen (4Mos. 24,17; Offb. 22,16).
Jesus Christus konnte auch zum fünften Buch Mose gehen. Aus ihm zeigte er dann, dass er der Prophet wie Mose ist, von dem der Vater sagt: Dies ist mein geliebter Sohn … höre auf ihn (5Mos. 18,15–20; Apg. 3,22.23). Oder er wies darauf hin, dass er die wahre Zufluchtsstätte ist, zu der die Sünder in ihrer Schuld fliehen dürfen (4Mos. 35; Hebr. 6,18).
Aus dem Buch Josua konnte er zeigen, dass er der größere Josua ist, der gekommen ist, um Gottes Volk durch den Jordan nach Kanaan zu führen, damit es die ihm schon seit langem versprochene Ruhe endlich empfängt (Hebr. 4,1–10).
Im Buch Richter sehen wir einen Funken von Jesus Christus als dem, den Gott dazu erweckt, um Israel von der Unterdrückung ihrer Feinde zu befreien und dass er in Gerechtigkeit über sie herrschen wird (Jes. 32,1; Lk. 1,71).
Aus dem Buch Ruth hätte er den Jüngern vermitteln können, wie Christus der viel größere Erlöser als Boas ist, der eine heidnische Braut zu sich nimmt, damit sie am Reichtum seines Volkes Anteil haben kann (Mt. 1,5).
Das erste und das zweite Samuelbuch zeigen, dass Jesus der größere David ist, der in Wahrheit sein Leben nach dem Herzen des Vaters führte und mutig den größeren Goliath, Satan, erschlug, um Gottes Volk aus der Schande und der Sklaverei ihrer Sünde zu befreien (Lk. 1,32; Joh. 6,38; 14,31).
Vielleicht ist Christus auch zu den Büchern Könige und Chronika gekommen, aus denen er dann aufwies, dass er der treue König ist, der niemals Gottes Gesetz missachtet, sondern unbeirrt das Volk Gottes dahinregiert, dass es Gott den Herrn in allen Dingen ehrt und ihm gehorcht (Offb. 19,16).
Nicht auszuschließen ist, dass der Herr auch einige Zeit damit verbrachte zu zeigen, wie er selbst der größere Esra ist, der als Priester dient und der über das Volk Israel wegen ihres Ungehorsams und der Ablehnung Gottes weinte (Mt. 23,37; Hebr. 5,7).
Möglicherweise wird der Herr auch darauf hingewiesen haben, wie er Nehemia gleicht, der die Mauern wiederaufbaute, damit der Gottesdienst bewahrt bleibt, und dass er sich strikt weigerte, sich von dem Werk abhalten zu lassen, zu dem er gekommen war (Neh. 6,2.3; Mt. 26,42).
Auch ist Christus die größere Esther, die mutig ihr Leben nicht schonte, um Gottes Volk vor dem betrügerischen Plan Satans, dem größeren Haman, zu retten. Er ist auch der größere Mordechai, der verachtet wurde und auf den Galgen zusteuerte, aber dennoch befreit und auf den Thron erhoben wurde, um die Erlösung für das Volk Gottes zu erwirken.
Vielleicht hat er sich auch als der größere Hiob gezeigt, der nicht wegen seiner Sünden, sondern wegen seiner Gerechtigkeit litt. Und obwohl er missverstanden wurde, hob Gott ihn aus der Asche der Schande empor, um für diejenigen einzutreten, die sich ihm zuvor widersetzt hatten (Hi. 42,1–17; Hebr. 7,25).
Dann machte der Herr sicher einen Rundgang durch die Psalmen. Dabei erinnerte er daran, wie in Psalm 2 von ihm als dem eingeborenen Sohn gesprochen wird, vor dem sich alle verneigen müssen (Phil. 2,4–11; Offb. 5,13.14), und dass seine Auferstehung in Psalm 16 angekündigt wurde (Apg. 2,24-28). Vermutlich wird er auch gezeigt haben, wie Psalm 22 eine prophetische Botschaft auf den Unschuldigen ist, dessen Hände und Füße von Übeltätern durchbohrt wurden (Lk. 23,33; Joh. 20,25). Trotzdem wird er gemäß Psalm 110 zur Rechten des Vaters erhoben, um für immer als Priester und König zu dienen (Hebr. 5,1–10). Aus Psalm 118 wird der Herr (erneut) gezeigt haben, wer der Stein ist, den die Bauleute verworfen haben, der zum Eckstein wurde, auf dem Gott seine Kirche baut (Mt. 21,42; 1Petr. 2,4-7).
Jesus Christus konnte auch auf das Buch der Sprüche verweisen und daraus zeigen, dass niemand anders als er selbst die Weisheit Gottes ist (1Kor. 1,18-26).
Aus dem Buch Prediger hätte er anschaulich machen können, dass er derjenige ist, der uns statt Nichtigkeit überreichlich Leben schenkt (Joh. 10,10).
Im Blick auf das Hohelied Salomos hätte er sich als der größere Bräutigam gezeigt, der seine Braut mit unerschütterlicher Liebe überschüttet (2Kor. 11,2; Eph. 5,25; Offb. 21,2; 22,17).
Dann hat sich Christus möglicherweise den Propheten zugewandt und aus Jesaja gezeigt, dass er, der Immanuel von einer Jungfrau geboren wurde (Jes. 7,14; Mt. 1,23), vom Geist Gottes erfüllt ist (Jes. 11,2–4; Mt. 3,16), die gesalbte Wurzel Isais ist (Jes. 11,10; Röm. 15,12; Offb. 22,16), und dass er die Blinden, Tauben und Lahmen heilte (Jes. 35,5.6; Mt. 11,2–5). Er wirkt als der Fürst des Friedens, der das ewige Reich der Gerechtigkeit regiert (Jes. 9,6.7; Offb. 11,15), und er ist auch der leidende Diener, der für unsere Übertretungen durchbohrt und wegen unserer Missetaten zerschlagen wurde (Jes. 53,3-9; Mt. 27,27–60; 1Pet. 2,23).
In Jeremia und den Klageliedern ist Christus als der wahre weinende Prophet zu erkennen, der in unser Leid eingetreten ist und über die Sünden geklagt hat, die uns von Gott getrennt haben, um dann seine unerschütterliche Liebe und Treue unter Beweis zu stellen (Jer. 13,17; Klgl. 3,22.23; Lk. 19,41).
In Hesekiel wird uns Christus als der wahre Hirtenkönig geschildert, der sich um die Herde kümmert, und die ernährt, die von untreuen Hirten vernachlässigt und geplagt worden sind (Hes. 34,1–24; Joh. 10,1–18).
Daniel skizziert uns den Sohn Gottes als den Stein, der die Königreiche der Welt zerschmettert (Dan. 2,34.35; Mt. 21,44), er, der ehrfurchtgebietende Menschensohn, der alle Menschen nach ihren Taten richten wird (Dan. 9,7–14; Mt. 26,64) und der Gesalbte, der von seinem eigenen Volk verraten wurde (Dan. 9,26; Mk. 9,9–12).
Im Propheten Hosea wird Christus offenbart als der treue Ehemann, der von einer ehebrecherischen Frau betrogen wurde, sie aber trotzdem liebte und ihr nachging, um sie zurückzugewinnen (Joh. 4,1–45; Röm. 9,25.26).
In Joel sehen wir, dass der angekündigte Tag des Gerichts letztendlich auf den Herrn Jesus Christus fiel, der am Kreuz das Zorngericht Gottes auf sich nahm und dass er bei seiner Himmelfahrt den verheißenen Geist an alle sendet, die umkehren (Joel 2,28–32; Lk. 24,49; Apg. 2,16–21).
Möglicherweise zeigte der Herr auf der Wanderung nach Emmaus, dass er die Botschaft von Amos verkörpert, weil er kam, um die Armen und Unterdrückten zu retten und die Gerechtigkeit zu bringen, die die Führung des Volkes Israel missachtet hatte (Lk. 4,16–19).
Aus dem Propheten Obadja hätte der Herr zeigen können, dass er derjenige ist, der die hochmütigen Feinde Gottes niederwirft und Gottes Volk auf den Berg Zion führt, damit sie das ewige Reich Gottes erben (Hebr. 12,18-24).
Im Buch Jona ist der Sohn Gottes als der erkennbar, der vom Wal des Zorns Gottes verschlungen wurde, bis er drei Tage später lebend herauskam, um die Menschen zur Umkehr zu rufen. Aber anders als Jona schmollte er nicht rebellisch vor der Stadt, sondern vergoss außerhalb der Stadt sein Blut, um die Gottlosen zu erlösen (Mt. 12,41; Hebr. 13,12).
In Micha wird Christus als der Herrscher gezeigt, dem die Verheißung gilt, in Bethlehem („Haus des Brotes“) geboren zu werden, und der selbst das Brot des Lebens ist, das aus dem Himmel gegeben wurde, um eine ausgehungerte Welt zu ernähren (Mi. 5,2; Mt. 2,1).
Das Wirken von Jesus Christus wurde insofern im Propheten Nahum vorausgesagt, als er das gerechte Urteil über die Feinde Gottes annahm, sodass er sie zu seinen Freunden machte (Röm. 5,8).
Als der Prophet Habakuk verkündigte, dass der Gerechte durch Glauben leben werde, wurde dies nur durch das Heilswerk Christi möglich (Hab. 2,4; Röm. 1,17; Gal. 3,11; Hebr. 10,38). Anhand dieses Propheten zeigte Gott auch, dass er Böses für Gutes benutzt, und zwar in einer Weise, die so wunderbar ist, dass niemand glauben würde, selbst wenn es ihm gesagt würde (Hab. 1,5; Apg. 13,41).
Im Propheten Zephanja tritt Christus als der souveräne Herr auf, der das Königreich errichtet, indem er das Gericht annimmt, das das Volk verdient, und indem er all das wiederherstellt, was die Sünde geraubt hat (Apg. 15,12–17; Hebr. 13,20).
Der Prophet Haggai weist auf Jesus, als er versprach, dass die Herrlichkeit Gottes in den Tempel kommen wird. Jesus ist jene größere Herrlichkeit, die dem Serubbabel verkündigt wurde (Hag. 2,5-7; Mt. 21,12–17).
Im Propheten Sacharja erscheint Christus als der siegreiche König, der kommt als einer, der demütig auf einem Esel reitet. Er ist der mächtige Spross, der seine Zweige ausbreitet und den endgültigen Tempel des Herrn baut. Nicht zuletzt ist er derjenige, auf den sie schauen werden und erkennen, dass sie ihn durchbohrt haben. Er wird sie dahin bringen, bitter über ihn zu trauern und zu weinen (Sach. 9,9.11; 12,10; Mt. 26,15; Lk. 19,35–37).
Und wenn der Herr schließlich zu Maleachikam, hätte er an ihm gezeigt, dass er der treue Priester ist, der im Tempel des Herrn auftrat und das Volk für seine heuchlerischen und leeren Opfer zurechtwies – und sich dann selbst als perfektes Opfer darbrachte (Mt. 21,12.13; Hebr. 9,14–27). Sein Vorbote, Johannes der Täufer, kam im verheißenen Geist Elias, um Israel auf Jesus als die Sonne der Gerechtigkeit hinzuweisen, die mit Heilung unter seinen Flügeln aufging (Lk. 1,17,78; Mt. 11,14; Joh. 1,4; 8,12; Offb. 21,22–24).
Kurzum: Als Jesus mit den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus ging, enthüllte er ihnen den goldenen Faden der Gnade, der alles im Alten Testament durchzieht und zusammenhält. Er öffnete ihnen die Augen, damit sie sehen, dass jede Prophezeiung, jedes Bild und jede Verheißung Gottes in Christus Ja und Amen ist (2Kor. 1,20).
Das Lesen des Alten Testaments, um Jesus zu finden, heißt nicht, hinter jedem Busch nach einem Kreuz Ausschau zu halten oder bei jedem Stuhl an einen Thron zu denken. Wir finden jedoch sowohl explizite Lehren als auch implizite Themen, die uns dazu veranlassen zu erkennen, dass etwas oder jemand Größeres kommen musste, um uns aus unserem tiefen Elend zu erretten.
Genau dies zeigte Jesus unmittelbar nach seiner Auferstehung, und er führte damit vor Augen, dass in ihm alles Heil erfüllt ist. Lassen Sie uns Menschen sein, die das Alte Testament mit offenen Augen lesen und Christus erwarten, auf den alle Bücher der Heiligen Schriften verweisen.