Ein Denken, das der Apostel Paulus „gesetzlich“ nannte, ist eine Falle, in die Christen jeglicher Couleur gleichermaßen gerne tappen: Wir streiten unentwegt und mit Verve1
Ver·ve Substantiv, feminin [die]gehoben
Begeisterung, Schwung (bei einer Tätigkeit) darüber, wo genau die Grenzen verlaufen in der Bibel, ob dies in Ordnung ist oder das, ob dies verboten ist oder jenes. Immer aber geht es um Grenzen, um Regeln, um Kataloge, die Gut und Böse voneinander scheiden, indem sie unser Verhalten in erlaubt und verboten einteilen.
Dieses Verhalten führt nie zu einem Ziel, weil die Diskussion nie beendet ist. Einerseits, gibt es keine Kriterien dafür, die Richtigkeit der eigenen Lesart und Erkenntnis zu beweisen. Und andererseits ist die Welt komplex und einmal festgelegte Regeln passen nicht auf jede Situation. Ganz besonders gilt das für unser ultraschnelllebiges Heute.
Vielleicht Zeit für eine andere Denkweise? Keine neue – sondern eine uralte. Eine, die ohne die Kategorien “gut” und “böse”, “verboten” und “erlaubt” auskommt. Denn – Überraschung! – schon die Verfasser des Schöpfungsepos aus Genesis empfanden genau das als die Wurzel allen Elends: den Drang, über Gut und Böse zu urteilen.
Überlegen wir mal: Im Garten Eden dürfen und sollen die Menschen von all den vielfältigen Bäumen essen. Die Früchte scheinen in der Sonne, duften betörend und verwöhnen den Gaumen. Das Leben, wie Gott es sich vorstellt, ist bunt, vielfältig, spannend und voll von Eindrücken und Abenteuern.
Das einzige Tabu ist der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen – oder besser übersetzt: der Baum der Gewissheit des Guten und des Bösen. Dieses Tabu zu brechen, also pauschale Festlegungen zu treffen, was gut ist und was böse, das ist der große Fehler der Menschheit.
Die Menschen in der Erzählung schämen sich plötzlich dafür, zu sein, wie sie sind. Nicht weil sie plötzlich erkennen, dass Nacktsein falsch wäre (das war es ja gar nicht). Sondern weil sie sich nicht mehr sicher sein können, ob sie den Einordnungen und Ansprüchen von außen gerecht werden, weil sie sich der bedingungslosen Annahme des Anderen – und sogar Gottes – nicht mehr sicher sind. Sie haben gelernt, die Welt in Gut und Böse einzuteilen. Und genau das tun sie nun.
Doch das bringt plötzlich Angst ins bisherige Paradies. Die Menschen fürchten sich, nicht gut zu sein. Dann lieber bedeckt halten, nicht die eigene Nacktheit zeigen, nicht verwundbar machen. Dann lieber Mauern aufbauen, auf Sicherheit spielen. Vertrauen vergeht, Furcht zieht ein. Verlockend und bunt geht anders. Lieben geht anders. Leben geht anders. In der Gewissheit über Gut und Böse lauert der Tod.
Deshalb formuliert der Apostel Paulus es so drastisch: Auf Regeln zu bauen bringt uns um. Und deshalb lautet auch die gute Nachricht, die Jesus bringt „Wir sind keine Sklaven religiöser Gesetze! Wir sind freie Menschen, solange wir uns von Liebe bestimmen lassen.“
Das ist das Herz christlicher Überzeugung. Dafür hat Christus gelebt und dafür ist er gestorben. Seit ihm richten sich richtig und falsch nicht mehr nach Paragrafen, die immer und überall gleich gültig sind. Seit Jesus sind unser all Individualität, unsere Situation, unsere Zeit und unser Kontext relevant für die Entscheidung, was hilfreich ist und was destruktiv.
Seit Jesus richtet sich alles nach der Liebe als dem zentralen Prinzip, in dem alle Regeln aufgehen. Ein Prinzip, das in jeder individuellen Situation zu individuellen Ergebnissen kommt. Das nicht Böses verharmlost, aber auch nicht mit Angst und Knechtschaft antwortet.
Oder wie die Bibel es ausdrückt: Die Liebe ist geduldig und gütig, ohne Neid, sie spielt sich nicht auf, sie handelt nicht unangemessen, ist nicht auf den eigenen Vorteil bedacht, ist nicht verbittert oder nachtragend. Sie ist traurig über Unrecht und erfreut von der Wahrheit. Die Liebe erträgt, vertraut, hofft und erduldet. Immer.
Christus steht für dieses Prinzip und wir nennen uns genau aus diesem Grund − Christen!
Vielfach tun wir Christen uns damit aber noch schwer: Wir umarmen nicht die von Liebe geprägte Freiheit, sondern klammern uns an die vermeintlich sicheren Ordnungen, an die Frage, was Gott wohl generell richtig findet und was falsch. Und zurzeit kann man das Gefühl bekommen: Je moderner die Form, desto fester der Griff:
ICF, Hillsong, Youtube-Churches – sie alle verkünden mit viel Licht, Nebel und Dezibel die engstmögliche Moral.
Die daraus entstehende Unfreiheit hat handfeste Konsequenzen: Da wird in einer Gemeinde in Hessen ein Mitarbeiter von seinen Ämtern entbunden, weil er mit seiner Freundin zusammengezogen ist. Da wird ein Mitarbeiter-Paar aus einer Hipsterkirche geworfen, weil sie nicht bereit waren, heile Welt zu spielen und über ihre Liebe zueinander zu lügen. Alles in den letzten Monaten. Unfreiheit in Zeiten der Möglichkeiten. Wenn etwas Kirche von den Menschen entfremdet, dann auf jeden Fall das.
Vor allem: Es sind nicht nur die Menschen außerhalb der Institution. Entfremdet sind auch wir: Christen, die ihrer Kirche verbunden sind und doch immer wieder den Kopf schütteln über die Enge, die Angst und die Ignoranz, mit der für unser Menschsein so zentrale Dinge einfach weggeregelt werden.
Doch das Leben ist nicht schwarz-weiß, es lässt sich nicht in Passepartouts stecken. Das Leben ist bunt und vielfältig, spannend und voll von Begegnungen und Abenteuern, aber genauso voll von Möglichkeiten, sich gegenseitig weh zu tun. Und offensichtlich ist sie genau so von Gott angelegt. Vielleicht hat der Apostel Paulus deshalb so legendäre Worte formuliert wie „Alles ist erlaubt — es führt nur nicht alles zum Guten.“
Viele Christen verbieten gerne im Namen Gottes, weil sie sich damit auf der sicheren Seite wähnen. Paulus aber war von Jesu Sicht der Dinge inspiriert: Gott setzte uns in diese Welt ohne Betriebsanleitung, gab uns Neugier und Forscherdrang, dazu Leidenschaft und das Gebot zur Liebe: zu Gott, zu unseren Mitmenschen und zu uns selbst.
Die Folge dieses Liebensgebots ist der klare Auftrag, unser Urteil immer erst auf den zweiten Blick zu fällen, oder wie Jesus es sagt: Urteile immer nur aufgrund der Früchte, nie aufgrund von Samen. Denn nicht alles, was ungewohnt ist, hat schlechte Folgen. Und selbst wer sich streng an die Gesetze hält, kann fleißig Faules hervorbringen.
Die Protagonisten der Bibel nehmen die Dinge nicht auf die leichte Schulter: Paulus geht gleich mehrfach harsch gegen negatives Verhalten ins Gericht, unter anderem gegen sexuelle Übergriffigkeit und Kindesmissbrauch. Auch Jesus hat scharfe Worte für Menschen parat, die destruktiv handeln: Sie werden „abgehauen und ins Feuer geworfen“, sie haben keinen Platz im Reich Gottes. Und er liefert gleich ein paar Beispiele mit: Die Wölfe im Schafspelz, die Blender und die, die ihre Macht über andere Menschen im Namen Jesu missbrauchen. Doch allen anderen gilt viel Gnade und Geduld von dem Mann, den die christliche Tradition den Sohn Gottes nennt.
Der Grundansatz im Reich Gottes ist damit genau umgekehrt als es die Lehrer der Gesetzlichkeit in ihrer Heidenangst vor einem strafenden Gott predigen: Alles ist gut, was eine gute Wirkung hat. Nichts ist schlecht, was keine schlechten Folgen für mich oder andere hat. Punkt. Der ethische Bewertungsmaßstab für menschliches Verhalten kann allein sein, ob etwas die Liebe und ihre Kinder mehrt: Den Respekt. Die Freiheit. Die Wahrheit. Die Barmherzigkeit.
Zeit also für eine Lehre der individuellen Wirkung, die Menschen nicht an ihrem Verhalten misst, sondern an den Folgen ihres Verhaltens. Eine Ethik, die nicht die Tat beurteilt, sondern deren Konsequenz – oder auch erwartbare Konsequenz. Und die erst daraus Rückschlüsse für die Beurteilung der Tat selbst zieht.
Ist die Wirkung schlecht, weiß man das oft schon schnell – und kann es sich oft genug auch vorher rausrechnen, so dass es gar nicht erst dazu kommen muss: Wird jemand in seiner Würde verletzt oder seiner persönlichen Souveränität? Nimmt jemand Schaden? Geschieht etwas ohne eindeutige Zustimmung? Führt etwas in Unfreiheit, Lüge oder Angst?
Das Böse erkennt man oft recht schnell, wenn man mit offenen Augen durchs Leben geht. Und dann gilt es zu reagieren zum Wohl der Betroffenen – möglichst schon, bevor etwas passiert.
Viele Früchte aber erkennt man erst nach langer Zeit. Und auch die beste Frucht ist ungenießbar, solange sie noch grün ist. Die Unsicherheit gilt es auszuhalten.
Dass Gott uns das zumutet, zeigt sich daran, wie entspannt er mit individuellen Abweichungen vom Bewährten umgeht. Jesus verurteilte niemanden mit schrägem Lebenslauf oder ungewohntem Liebesleben. Und forderte uns auf, das ebenso wenig zu machen.
Ausdrücklich gibt Jesus im Gleichnis den Rat: Reißt nicht das Unkraut heraus, denn ihr könntet auch eine gute Frucht erwischen, die sich darunter versteckt. Das ist Jesu Vorstellung vom Reich Gottes: Warten, beobachten, nicht vorschnell urteilen, die Früchte prüfen, wenn sie reif sind, nur eingreifen, wenn jemand lieblos behandelt wird.
Dass dagegen die Gewissheit über Richtig und Falsch zu einer besseren Welt führen würde, das war die große Verführung der Schlange im Paradies. In Wirklichkeit sät das aber nur Zwietracht, Missgunst, Scham, Hass und Tod.
Wenn sich also jemand anders verhält, als wir es tun würden, dann ist die Frage irrelevant, ob Gott das erlaubt. Weil Gott nichts erlaubt oder verbietet, sondern weil er prüft, was es am Ende bewirkt. Mit der Liebe im Blick lassen sich alle Fragen, ob etwas am Ende gute oder schlechte Früchte trägt, nur noch im Einzelfall und damit nur mit den Betroffenen selbst beurteilen.
Die Fragen bleiben immer dieselben: Nach dem Respekt voreinander, der Freiheit aller direkt und indirekt Beteiligten, der Ehrlichkeit zueinander, der Barmherzigkeit gegenüber uns allen und uns selbst.
Und endlich ist dafür gesorgt, dass wir durch unser Verhalten wirklich keinen Schaden nehmen – weder durch destruktives Verhalten noch dadurch, dass wir einander Schuld und Scham einreden oder uns verbieten zu sein, wie Gott uns geschaffen hat.
Damit lassen sich freilich schwerer Bücher verkaufen. Weil es nicht pauschalisiert, sondern differenziert. Weil es die Menschen in die eigene Verantwortung entlässt.
Und weil man damit nicht die Angst bedient, ich wäre falsch, nicht richtig oder nicht gläubig genug. Es lässt sich auch kein Facebook-Mob entfesseln, der über Menschen herfällt, die anders sind als es die eigene Gotteserkenntnis als richtig ansieht. Und das ist gut so.
Was heißt das jetzt konkret? Der Versuch, diese Haltung in ein Manifest zu gießen kann nur kläglich sein, ist doch nichts starr und alles in Bewegung. Und neue Regeln helfen uns nicht weiter. Trotzdem ist es manchmal ganz gut, Dinge auf den Punkt zu bringen.
Frage nach den Früchten.
Wie erkennen, was Glück bringt und was Schmerz, was guttut und was nicht, was lebendig macht und was zerstört? In einer Welt, in der wir alle unterschiedlich geschaffen sind? Und in der Glück und Schmerz oft so nah beieinander liegen? Jesus fordert uns auf: Beurteilt nicht den Baum, beurteilt die Früchte! Fragt nicht: Ist etwas richtig oder falsch? sondern fragt: Sind die Auswirkungen gut oder schlecht? Das hängt von vielen Faktoren ab: von mir selbst, den beteiligten Personen, der Situation, dem Kontext. Und zwingt uns, zu differenzieren, statt zu pauschalisieren. Wenn wir so fragen, wird es uns leichter fallen, das Böse als das Böse zu erkennen, aber auch das Gute leichter als das Gute. (1. Korinther 10:23; Matthäus 12:33)
Gib den Früchten Zeit zum Reifen.
Die Güte von Früchten lässt sich nicht immer sofort erkennen. Wir können zwar fragen: Wird jemand in seiner Würde verletzt oder in seiner persönlichen Souveränität? Geschieht etwas ohne Zustimmung von Beteiligten? Nimmt jemand Schaden? Führt etwas in Unfreiheit, Lüge oder Angst? Das sind klare Anzeigen von Fäule. Lass die Finger davon! Mach deinen Mund auf! Aber auch die beste Frucht ist ungenießbar, solange sie grün ist. Wenn es nicht faul ist, warte ab! Halte Ausschau nach der Liebe und ihren Kindern: Respekt, Freiheit, Wahrheit, Barmherzigkeit. Wir werden überrascht sein, an welchen unerwarteten Orten sie sich zeigen. (1. Korinther 132
Der erste Brief an die Korinther, Kapitel 13
Die höheren Gnadengaben – das Hohelied der Liebe
1 Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, / hätte aber die Liebe nicht, / wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.
2 Und wenn ich prophetisch reden könnte / und alle Geheimnisse wüsste / und alle Erkenntnis hätte; / wenn ich alle Glaubenskraft besäße / und Berge damit versetzen könnte, / hätte aber die Liebe nicht, / wäre ich nichts.
3 Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte / und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, / hätte aber die Liebe nicht, / nützte es mir nichts.
4 Die Liebe ist langmütig, / die Liebe ist gütig. / Sie ereifert sich nicht, / sie prahlt nicht, / sie bläht sich nicht auf.
5 Sie handelt nicht ungehörig, / sucht nicht ihren Vorteil, / lässt sich nicht zum Zorn reizen, / trägt das Böse nicht nach.
6 Sie freut sich nicht über das Unrecht, / sondern freut sich an der Wahrheit.
7 Sie erträgt alles, / glaubt alles, / hofft alles, / hält allem stand.
8 Die Liebe hört niemals auf. / Prophetisches Reden hat ein Ende, / Zungenrede verstummt, / Erkenntnis vergeht.
9 Denn Stückwerk ist unser Erkennen, / Stückwerk unser prophetisches Reden;
10 wenn aber das Vollendete kommt, / vergeht alles Stückwerk.
11 Als ich ein Kind war, / redete ich wie ein Kind, / dachte wie ein Kind / und urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, / legte ich ab, was Kind an mir war.
12 Jetzt schauen wir in einen Spiegel / und sehen nur rätselhafte Umrisse, / dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, / dann aber werde ich durch und durch erkennen, / so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.
13 Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; / doch am größten unter ihnen ist die Liebe.)
Im Zweifel: Lass es wachsen.
Jeder Mensch ist anders. Etwas, was dir nicht bekommt, mag für andere gesund sein. Und nur weil dir selbst eine Frucht nicht schmeckt, muss sie nicht faul sein. Von außen lässt sich sowieso schwer ein Urteil fällen. Oder wie die Indianer sagen: Verurteile niemanden, bevor du nicht einen Mond lang in ihren Mokassins gelaufen bist. Erhebe dein Wort, wenn jemand zu Schaden kommt, aber widersteh dem Impuls zu zerstören, was du nicht verstehst. Jesus empfahl ausdrücklich, das Unkraut wachsen zu lassen, um die gute Frucht nicht mit ihm auszureißen. So geht entspannt. (Matthäus 13:30)
Freiheit ist auch die Freiheit zum Nein.
Paulus betont die Freiheit, das eigene Maß festzulegen und Möglichkeiten nicht zu nutzen. Niemand hat sich über diejenigen zu erheben, die ihre Freiheit wahrnehmen. Aber genauso hat sich niemand über diejenigen zu erheben, die drauf verzichten. Egal aus welchen Gründen. Egal ob generell oder in einer konkreten Situation. Und vergessen wir nicht: Konsens braucht mehr als kein “nein”. Konsens braucht ein “ja”. (Römer 143
Der Brief an die Römer, Kapitel 14
»Starke» und «Schwache» in der Gemeinde
1 Nehmt den an, der im Glauben schwach ist, ohne mit ihm über verschiedene Auffassungen zu streiten.
2 Der eine glaubt, alles essen zu dürfen, der Schwache aber isst kein Fleisch.
3 Wer Fleisch isst, verachte den nicht, der es nicht isst; wer kein Fleisch isst, richte den nicht, der es isst. Denn Gott hat ihn angenommen.
4 Wie kannst du den Diener eines anderen richten? Sein Herr entscheidet, ob er steht oder fällt. Er wird aber stehen; denn der Herr bewirkt, dass er steht.
5 Der eine bevorzugt bestimmte Tage, der andere macht keinen Unterschied zwischen den Tagen. Jeder soll aber von seiner Auffassung überzeugt sein.
6 Wer einen bestimmten Tag bevorzugt, tut es zur Ehre des Herrn. Wer Fleisch isst, tut es zur Ehre des Herrn; denn er dankt Gott dabei. Wer kein Fleisch isst, unterlässt es zur Ehre des Herrn, und auch er dankt Gott.
7 Keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber:
8 Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn.
9 Denn Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende.
10 Wie kannst also du deinen Bruder richten? Und du, wie kannst du deinen Bruder verachten? Wir werden doch alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
11 Denn es heißt in der Schrift: So wahr ich lebe, spricht der Herr, vor mir wird jedes Knie sich beugen und jede Zunge wird Gott preisen.
12 Also wird jeder von uns vor Gott Rechenschaft über sich selbst ablegen.
13 Daher wollen wir uns nicht mehr gegenseitig richten. Achtet vielmehr darauf, dem Bruder keinen Anstoß zu geben und ihn nicht zu Fall zu bringen.
14 Auf Jesus, unseren Herrn, gründet sich meine feste Überzeugung, dass an sich nichts unrein ist; unrein ist es nur für den, der es als unrein betrachtet.
15 Wenn wegen einer Speise, die du isst, dein Bruder verwirrt und betrübt wird, dann handelst du nicht mehr nach dem Gebot der Liebe. Richte durch deine Speise nicht den zugrunde, für den Christus gestorben ist.
16 Es darf doch euer wahres Gut nicht der Lästerung preisgegeben werden;
17 denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, es ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist.
18 Und wer Christus so dient, wird von Gott anerkannt und ist bei den Menschen geachtet.
19 Lasst uns also nach dem streben, was zum Frieden und zum Aufbau (der Gemeinde) beiträgt.
20 Reiß nicht wegen einer Speise das Werk Gottes nieder! Alle Dinge sind rein; schlecht ist es jedoch, wenn ein Mensch durch sein Essen dem Bruder Anstoß gibt.
21 Es ist nicht gut, Fleisch zu essen oder Wein zu trinken oder sonst etwas zu tun, wenn dein Bruder daran Anstoß nimmt.
22 Die Überzeugung, die du selbst hast, sollst du vor Gott haben. Wohl dem, der sich nicht zu verurteilen braucht bei dem, was er für recht hält.
23 Wer aber Zweifel hat, wenn er etwas isst, der ist gerichtet, weil er nicht aus der Überzeugung des Glaubens handelt. Alles, was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde.)
Sexualität braucht Liebe.
Alles ist nichts ohne die Liebe, schreibt Paulus, und meint damit nicht die romantische Liebe zweier Verliebter. Sondern gerade die ganz unromantische, bewusste, selbstlose, manchmal anstrengende Nächstenliebe zu den Menschen, mit denen wir interagieren. Jesus fordert uns zu dieser Liebe auf und stellt sie in das Zentrum christlichen Handelns. Wer seine*n Nächste*n liebt ist nicht auf den eigenen Vorteil bedacht, spielt sich nicht auf, handelt nicht unangemessen, ist traurig über Unrecht und freut sich an der Wahrheit, will Balance, Respekt und Augenhöhe („…wie dich selbst“) und bemüht sich aktiv um das Wohlergehen des Gegenübers. Gesunde Sexualität lebt aus dieser Liebe und kann nicht ohne sie. Sie muss Maxime jeglichen Handelns sein – gerade solch intimem wie der Sexualität. (1. Korinther 134
Der erste Brief an die Korinther, Kapitel 13
Die höheren Gnadengaben – das Hohelied der Liebe
1 Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, / hätte aber die Liebe nicht, / wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.
2 Und wenn ich prophetisch reden könnte / und alle Geheimnisse wüsste / und alle Erkenntnis hätte; / wenn ich alle Glaubenskraft besäße / und Berge damit versetzen könnte, / hätte aber die Liebe nicht, / wäre ich nichts.
3 Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte / und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, / hätte aber die Liebe nicht, / nützte es mir nichts.
4 Die Liebe ist langmütig, / die Liebe ist gütig. / Sie ereifert sich nicht, / sie prahlt nicht, / sie bläht sich nicht auf.
5 Sie handelt nicht ungehörig, / sucht nicht ihren Vorteil, / lässt sich nicht zum Zorn reizen, / trägt das Böse nicht nach.
6 Sie freut sich nicht über das Unrecht, / sondern freut sich an der Wahrheit.
7 Sie erträgt alles, / glaubt alles, / hofft alles, / hält allem stand.
8 Die Liebe hört niemals auf. / Prophetisches Reden hat ein Ende, / Zungenrede verstummt, / Erkenntnis vergeht.
9 Denn Stückwerk ist unser Erkennen, / Stückwerk unser prophetisches Reden;
10 wenn aber das Vollendete kommt, / vergeht alles Stückwerk.
11 Als ich ein Kind war, / redete ich wie ein Kind, / dachte wie ein Kind / und urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, / legte ich ab, was Kind an mir war.
12 Jetzt schauen wir in einen Spiegel / und sehen nur rätselhafte Umrisse, / dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, / dann aber werde ich durch und durch erkennen, / so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.
13 Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; / doch am größten unter ihnen ist die Liebe.; Matthäus 22:39)
Liebe braucht Wahrheit.
Die Lüge ist der Feind der Liebe. Sie gebiert stets die Angst davor, aufzufliegen. Und es ist schwer, Menschen in die Augen zu sehen, die man anlügt. Lüge zerstört Liebe. Lüge zerstört Beziehungen. Manchmal akzeptieren Menschen unsere Freiheit nicht – dann kann es nötig sein, Wahrheit zu verbergen, um Liebe zu bewahren. Doch niemals sollte Lüge zwischen Liebenden stehen. Und spätestens Gott gegenüber können wir uns nicht verstecken. Nicht umsonst stellt Jesus dieses Gebot allen voran: „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, mit all deinem Sein und mit all deiner Kraft.“ Tue also nichts, mit dem du nicht guten Gewissens dem liebenden Gott in die Augen sehen könntest. (Epheser 45
Der Brief an die Epheser, Kapitel 4
Aufruf zur Einheit
1 Ich, der ich um des Herrn willen im Gefängnis bin, ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging.
2 Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe
3 und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält.
4 Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist;
5 ein Herr, ein Glaube, eine Taufe,
6 ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist.
Die Gnadengaben zum Aufbau der Kirche
7 Aber jeder von uns empfing die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat.
8 Deshalb heißt es: Er stieg hinauf zur Höhe und erbeutete Gefangene, er gab den Menschen Geschenke.
9 Wenn er aber hinaufstieg, was bedeutet dies anderes, als dass er auch zur Erde herabstieg?
10 Derselbe, der herabstieg, ist auch hinaufgestiegen bis zum höchsten Himmel, um das All zu beherrschen.
11 Und er gab den einen das Apostelamt, andere setzte er als Propheten ein, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer,
12 um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten, für den Aufbau des Leibes Christi.
13 So sollen wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen.
14 Wir sollen nicht mehr unmündige Kinder sein, ein Spiel der Wellen, hin und her getrieben von jedem Widerstreit der Meinungen, dem Betrug der Menschen ausgeliefert, der Verschlagenheit, die in die Irre führt.
15 Wir wollen uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten und in allem wachsen, bis wir ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt.
16 Durch ihn wird der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt in jedem einzelnen Gelenk. Jedes trägt mit der Kraft, die ihm zugemessen ist. So wächst der Leib und wird in Liebe aufgebaut.
Der alte und der neue Mensch
17 Ich sage es euch und beschwöre euch im Herrn: Lebt nicht mehr wie die Heiden in ihrem nichtigen Denken!
18 Ihr Sinn ist verfinstert. Sie sind dem Leben, das Gott schenkt, entfremdet durch die Unwissenheit, in der sie befangen sind, und durch die Verhärtung ihres Herzens.
19 Haltlos wie sie sind, geben sie sich der Ausschweifung hin, um voll Gier jede Art von Gemeinheit zu begehen.
20 Das aber entspricht nicht dem, was ihr von Christus gelernt habt.
21 Ihr habt doch von ihm gehört und seid unterrichtet worden in der Wahrheit, die Jesus ist.
22 Legt den alten Menschen ab, der in Verblendung und Begierde zugrunde geht, ändert euer früheres Leben
23 und erneuert euren Geist und Sinn!
24 Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.
Die Pflichten gegen den Nächsten
25 Legt deshalb die Lüge ab und redet untereinander die Wahrheit; denn wir sind als Glieder miteinander verbunden.
26 Lasst euch durch den Zorn nicht zur Sünde hinreißen! Die Sonne soll über eurem Zorn nicht untergehen.
27 Gebt dem Teufel keinen Raum!
28 Der Dieb soll nicht mehr stehlen, sondern arbeiten und sich mit seinen Händen etwas verdienen, damit er den Notleidenden davon geben kann.
29 Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, stärkt und dem, der es hört, Nutzen bringt.
30 Beleidigt nicht den Heiligen Geist Gottes, dessen Siegel ihr tragt für den Tag der Erlösung.
31 Jede Art von Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei und Lästerung und alles Böse verbannt aus eurer Mitte!
32 Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat.; Epheser 5:9, Römer 12:9)
Wahrheit braucht Vertrauen.
Nichts ist so anfällig für Missverständnisse wie das Reden über so persönliche Dinge wie z.B. Sexualität. Gerade darum ist klare Kommunikation nötig. Dafür braucht es einen Raum des Vertrauens. Vertrauen schafft ihr durch die Sicherheit, weich zu fallen: Schaut euch in die Augen und versprecht euch, einander immer die Wahrheit sagen zu dürfen und einander nicht dafür zu bestrafen, dass ihr es tut. Der reine Tisch gehört zum festen Inventar jeder guten Beziehung. Immer gilt: Fragt nach, fragt nochmal nach, lauft einen Mond in den Mokassins eures Gegenübers und urteilt erst dann. Wenn ihr euch mal dazu überwunden habt, der Wahrheit Raum zu geben, werdet ihr merken: Die Wahrheit fühlt sich besser an als die Angst vor der Wahrheit. (Johannes 8:32)
Zuletzt: Seid barmherzig.
Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, betont der Johannesbrief. Wir alle sind fehlbare Menschen. Wir sind abhängig von Gnade und Vergebung. Nicht nur von Gott, auch voneinander. Wenn etwas schiefgelaufen ist, wenn ihr zu weit gegangen seid, wenn ihr wisst: Das war nicht richtig, dann gebt der Lüge keinen Raum! Denn sie zerstört Beziehungen. Sagt einander die Wahrheit. Und erinnert euch an euer Versprechen, einander nicht für einen reinen Tisch zu bestrafen. Am Ende können auf dem größten Mist die schönsten Blumen wachsen. (1. Johannes 16
Der erste Brief des Johannes, Kapitel 1
Das Wort des Lebens
1 Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens.
2 Denn das Leben wurde offenbart; wir haben gesehen und bezeugen und verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns offenbart wurde.
3 Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.
4 Wir schreiben dies, damit unsere Freude vollkommen ist.
Das Wesen Gottes
5 Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkünden: Gott ist Licht und keine Finsternis ist in ihm.
6 Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und doch in der Finsternis leben, lügen wir und tun nicht die Wahrheit.
7 Wenn wir aber im Licht leben, wie er im Licht ist, haben wir Gemeinschaft miteinander und das Blut seines Sohnes Jesus reinigt uns von aller Sünde.
Christ und Sünde
8 Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre und die Wahrheit ist nicht in uns.
9 Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht.
10 Wenn wir sagen, dass wir nicht gesündigt haben, machen wir ihn zum Lügner und sein Wort ist nicht in uns.)