Das Zeugnis von John Owen
„Da wir nun, Brüder, Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum […] so lasst uns hinzutreten.“ (Hebräer 10:19.22)
Die alten Puritaner nannten dieses Hinzutreten »Gemeinschaft mit Gott«. Wir haben es nötig, von ihnen zu lernen. J. I. Packer sagt, dass die Puritaner sich von den Evangelikalen heute unterscheiden, denn für sie galt:
Gemeinschaft mit Gott stand für sie im Vordergrund, für Evangelikale heute ist sie verhältnismäßig weit in den Hintergrund gerückt. Die Puritaner räumten der Gemeinschaft mit Gott einen Stellenwert ein, den wir ihr nicht geben.
Der Maßstab für unser Desinteresse ist, wie wenig wir darüber reden. Wenn sich Christen treffen, reden sie miteinander über ihr christliches Werk und ihre christlichen Interessen, ihre christlichen Bekannten, den Zustand ihrer Gemeinden und Fragen der Theologie – aber kaum über ihre täglichen Erfahrungen mit Gott.
Nach Packer war der bedeutendste Puritaner John Owen (1616 – 1683). Owens Erfahrung der Gemeinschaft mit Gott ist ein großes Vorbild für uns. Gott sorgte dafür, dass Owen und die schwer geprüften Puritaner seiner Zeit mit Gott in einer Weise lebten, die unsere Erfahrung oberflächlich erscheinen lässt.
In einem Brief während einer Krankheit schrieb er 1674 einem Freund: »Christus ist unser bester Freund, bald wird er unser einziger Freund sein. Ich bitte Gott von ganzem Herzen, dass ich all des anderen überdrüssig werden möge, indem ich Zwiesprache mit ihm halte und Gemeinschaft mit ihm pflege.«
Gott benutzte Krankheit und all die anderen Probleme in Owens Leben, um ihn zur Gemeinschaft mit sich selbst zu führen, und sorgte dafür, dass ihn nichts davon abbringen konnte.
Aber Owen suchte seine Gemeinschaft mit Gott auch sehr bewusst. Er sagte: »Freundschaft wird am besten durch Besuche gepflegt, und das umso mehr, je mehr Raum dabei für Gemeinschaft bleibt und je weniger sie durch dringende Geschäfte bedingt sind ,….
Das heißt, mitten in seiner ganzen akademischen, politischen und kirchlichen Tätigkeit »stattete« er Gott »viele Besuche ab« (um das von ihm benutzte Bild aufzugreifen).
Und wenn er dies tat, trat er nicht nur mit Anliegen in die Gegenwart Gottes – und auch nicht nur mit Bitten um Befreiung von seinen vielen Nöten. Er suchte bewusst das Angesicht Christi, seines herrlichen Freundes, und betrachtete Seine Größe.
„Wie liebe ich dein Gesetz! Es ist mein Sinnen den ganzen Tag. Weiser als meine Feinde macht mich dein Gebot, denn immer ist es bei mir.“ (Psalm 119:97.98)
John Owen war ein Puritaner, der in schweren Zeiten viel für Gott gewirkt hat. Es ist hoch interessant, in welcher Gesinnung er die Schrift studierte.
Sein letztes Buch, das er bei seinem Tod gerade beendet hatte, trägt den Titel Meditations on the Glory of Christ. Das sagt viel über die Ausrichtung und den Ausgang seines Lebens aus.
Er schrieb darin:
Die Offenbarung … Christi … verdient unsere tiefsten Gedanken, unser bestes Nachsinnen und unsere größte Sorgfalt dabei. Kann es eine bessere Vorbereitung auf [unseren zukünftigen Genuss der Herrlichkeit Christi] geben als unsere beständige Beschäftigung damit, während wir schon jetzt diese Herrlichkeit betrachten, wie sie uns im Evangelium offenbart wird?
Die Betrachtung, die Owen vor Augen steht, beinhaltet mindestens zwei Dinge. Einerseits gibt es das, was er seine »tiefsten Gedanken« und sein »bestes Nachsinnen« oder an anderer Stelle das »beharrlichste Nachsinnen« nennt, und andererseits unablässiges Gebet. Diese beiden werden in seiner Abhandlung über den Hebräerbrief erläutert.
Eine seiner größten Leistungen war die Abfassung des siebenbändigen Kommentars über den Hebräerbrief. Als er ihn gegen Ende seines Lebens abschloss, sagte er: »Nun ist meine Arbeit getan, es ist Zeit für mich zu sterben.« Wie konnte er dieses große Werk schaffen und gleichzeitig nahe bei Gott bleiben? Im Vorwort erhalten wir einen Einblick:
Nun muss ich sagen, dass nach all meinem Forschen und Lesen das Gebet und das beharrlichste Nachsinnen meine einzige Zuflucht waren und bei Weitem die nützlichsten Mittel, was Licht und Hilfe betrifft. Dadurch wurden meine Gedanken von so mancher Verwirrung befreit.
So nahte sich Owen Gott durch Gebet und beharrliches Nachsinnen. So fand er Licht und Freiheit. Es war ein Eifer für die Gemeinschaft mit Gott, der sich mit Erkenntnis paarte. Nach diesem Eifer wollen wir streben.
Es ist die fundierte persönliche Erkenntnis, die unserem Eifer die nötige Ausgewogenheit und Nüchternheit gibt und ihn umso heller leuchten lässt. Mit dieser Erkenntnis und diesem Eifer wollen wir Tag um Tag und Stunde um Stunde Gott nahen.
A. d. Ü.: Svw. Nachsinnen über die Herrlichkeit Christi. A. d. H.: Dieses Werk ist im englischsprachigen Raum meist unter dem Titel The Glory of Christ erschienen (deutsche Ausgabe: Die Herrlichkeit Christi: Köstlicher als Gold, überarbeitete Neuauflage, Waldems-Esch: 3L Verlag, 2013).
Herkunft: juengerschaft.org