Ruhe finden …
Die Bibel zu studieren und in die Kirche zu gehen, macht nicht automatisch Menschen aus uns, die Gottes Willen in dieser Welt engagiert leben. Um dem Willen Gottes entsprechend zu leben, gehört es, dass wir uns Zeit nehmen und unser Leben so organisieren, dass Leerstellen für Gottes Hinweise bleiben.
Psalm 62 ist ein Gebet, das dieses Ringen um Ruhe bei Gott widerspiegelt. Es lädt ein zum Einstimmen und selbst Formulieren. Er ermöglicht eine kleine Auszeit, um Augen für das zu bekommen, was Gott uns zeigen will. Es bietet uns eine „Gebetszeit auf dem Berg“, wie Jesus sie regelmäßig für sich in Anspruch nahm.
Psalm 62:1-8
Ein Psalm Davids, vorzusingen, für Jedutun.
Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft.
Denn er ist mein Fels, meine Hilfe, mein Schutz, dass ich gewiss nicht fallen werde.
Wie lange stellt ihr alle einem nach, wollt alle ihn morden,
als wäre er eine hangende Wand und eine rissige Mauer?
Sie denken nur, wie sie ihn stürzen, haben Gefallen am Lügen;
mit dem Munde segnen sie, aber im Herzen fluchen sie.
Aber sei nur stille zu Gott, meine Seele; denn er ist meine Hoffnung.
Er ist mein Fels, meine Hilfe und mein Schutz, dass ich nicht fallen werde.
Bei Gott ist mein Heil und meine Ehre, der Fels meiner Stärke,
meine Zuversicht ist bei Gott.
Das „Heilige Zelt“
Dieser Psalm wird David in den Mund gelegt, in welcher Situation er gebetet hat, wissen wir nicht. Offensichtlich wurde er von seinen Mitmenschen angefeindet, er fühlte sich wie in einem Sturm bedroht und unsicher. Eine erste Reaktion wäre gewesen, sich zu wehren, zu kämpfen oder im Gegenteil zu verzweifeln.
Dieser Psalm eröffnet eine andere Möglichkeit. Der Beter geht in die Stille und sucht Gott. Er nimmt eine Auszeit, um einen neuen Blick zu bekommen. Der Beter wird still, indem er sich Gott hinwendet. Er tritt bildlich gesprochen in einen Raum, in dem Gott schon ist. Ich werde erinnert an Baustellen an der Straße, wo Gasleitungen repariert werden. Da die Baugrube nicht nass werden soll, wird ein kleines Zelt über das offene Loch in der Straße aufgezogen. Wie ein solches Zelt mitten im Alltag erscheint die Möglichkeit, mit Gott in die Stille zu gehen.
Der Beter weiß, seine Hilfe bekommt er von Gott. Das hat er schon oft genug erfahren, Gott zeigte sich ihm als stabiler Fels, der ihm Standfestigkeit gab, und als sichere Burg, die ihm Sicherheit bot. Im „heiligen Zelt“ des Gebets wurde er sich bewusst, wie oft und in welchen Situationen er Hilfe erfahren hatte.
Auch uns hilft das Gebet im sicheren „heiligen Zelt“. Die aktuelle Not tritt zurück, stattdessen fallen uns wieder Führungen der Vergangenheit ein. Wir erinnern uns an finanziellen Segen, den wir nicht erwartet hatten, an einen bergenden Arm in der Stunde tiefen Schmerzes, an Klarheit in verworrenen Beziehungen, an die Gewissheit, dass Gottes Liebe trägt, auch wenn alles gegen uns spricht. Diese wieder entdeckten Erfahrungen werden zu einem festen Grund, Gott hat geholfen, und er wird es wieder tun.
Vergegenwärtigen wir uns die Situation des Beters. Er ist allein. Seine Gegner kommen aus den eigenen Reihen. Er lebt mit ihnen zusammen, und hinterrücks haben sie ihm das Messer in den Rücken gestoßen, sodass er wie eine fallende Mauer in sich zusammen fällt. Und nicht genug damit, sie heucheln noch, dass sie das Beste für ihn wollen, sie segnen ihn, aber hinter seinem Rücken planen sie seinen Untergang, nutzen seine Schwäche aus und stoßen zu. Von seinen Feinden attackiert zu werden, tut weh. Aus den eigenen Reihen mit Dolchstößen niedergestreckt zu werden, lässt ins Bodenlose fallen. Der Beter lebt in totaler Unsicherheit und Angst vor jedem.
Als die Jünger sich auf dem See Genezareth befanden und ein Unwetter wütete, schwankte der Boden des Schiffes unter ihren Füßen. Die Mannschaft wurde in der Panik auseinandergerissen, jeder der Zwölf war auf sich gestellt, allein, ungehört, dem Untergang geweiht.
Der Beter des 62.Psalms hält inne, er sucht mitten im Sturm das „heilige Zelt“ auf. Er sucht die Nähe zu Gott, denn Gott bleibt Fels und Burg. In dieser Gebetszeit erhofft er Heilung und Wiederherstellung, dass er sich von Gott geliebt und wertgeachtet weiß. Die Jünger haben es im Seesturm genau so erfahren. Jesus schlief zwar, aber war die ganze Zeit dabei. Er ließ sie nicht untergehen. Von ihm begleitet, konnten ihnen die Wellen nichts anhaben. Das letzte Wort über ihr Leben und Sterben hatte er.
Das Vertrauensbekenntnis rahmt die Situationsschilderung. Wir werden ermuntert, in Problemen nicht aufzugeben, sondern die Stille vor Gott zu suchen. Wir bekommen eine neue Perspektive der Hilfe und Hoffnung. Die Hilfe der Vergangenheit gibt Mut, für die Zukunft zu hoffen.
Psalm 62:9-13
Hoffet auf ihn allezeit, liebe Leute, schüttet euer Herz vor ihm aus;
Gott ist unsre Zuversicht.
Aber Menschen sind ja nichts, große Leute täuschen auch;
sie wiegen weniger als nichts, so viel ihrer sind.
Verlasst euch nicht auf Gewalt und setzt auf Raub nicht eitle Hoffnung;
fällt euch Reichtum zu, so hängt euer Herz nicht daran.
Eines hat Gott geredet, ein Zweifaches habe ich gehört:
Gott allein ist mächtig, und du, Herr, bist gnädig.
Aufruf zum Weitergeben
Der Beter hat es wieder neu erfahren, der Fels trägt. Nun ruft er andere auf, diesem Fels zu trauen. Er droht nicht, er mahnt nicht, sondern bringt nur seine Erfahrung ins Spiel. Die gibt ihm Vollmacht. Er redet von dem, was er selbst erfahren hat und lebt. Vertrauen wächst mit jedem kleinen Schritt. Diese Geschichten müssen wir einander weitererzählen. Wo wir Hilfe erfahren haben, wo Jesus uns begegnet ist in den Stürmen unseres Lebens, wo wir den schlafenden Jesus geweckt haben und seine Vollmacht erlebten.
Am Anfang der Vertrauensgeschichte steht das Ausschütten des Herzens. Wie will Jesus uns helfen, wenn wir unsere Brocken in den Hosentaschen behalten?
Wie will er uns schützen vor Angriffen,
wenn wir die Angreifer nicht benennen?
Wie will er unsere Not wenden,
wenn wir uns mit allen Kräften
an der Not und Bitterkeit
darüber festkrallen?
Wir sollen unsere Taschen nach außen kehren, unsere Rucksäcke voller bitterer Steine vor ihm auskippen, unseren Müll zu seinen Füßen legen, alles Laute herausschreien. Dann kann Stille einkehren, um Jesus zu hören, seine Impulse zu empfangen, seine Vergebung ins Herz fließen zu lassen.
Der Beter macht noch eine Baustelle auf. Er enttarnt unser Streben nach Macht und Reichtum, als könnten die uns Sicherheit geben. Wie schnell sind Macht und Reichtum dahin. Wie wetterwendisch zeigt sich Macht, wie wenig hilft Geld, wenn es um Anerkennung, Wertschätzung und Vertrauen geht. Viele von uns wissen das vom Verstand her. Doch mit dem Herzen fällt es immer wieder schwer, in den Unsicherheiten Jesus zu vertrauen und in der Stille, im „heiligen Zelt“ darauf zu warten, dass Jesus entgegenkommt und den schwarzen Vorhang vor der Zukunft aufzieht.
Wenn wir Jesus im „heiligen Zelt“ begegnen, werden wir eine innere Balance finden und uns für sein Reden öffnen.
Zweifach werden wir hören:
Gott ist an der Macht, er hat immer und in allem das letzte Wort. Sein Sohn Jesus Christus vermittelt uns dieses letzte Wort und bleibt an unserer Seite.
Zum zweiten werden wir hören, dass Gott kein wetterwendisches Schicksal ist, das mal brutal zuschlägt und dann wieder enorm freundlich daher kommt, sondern dass er allein gnädig ist.
Er rechnet unsere dunklen Seiten nicht mit seiner Zuwendung auf. Er führt kein Punktekonto über unser Versagen. Er bestraft nicht die, die mit Vertrauen Schwierigkeiten haben und immer wieder an Gottes Liebe zweifeln. Im Gegenteil, er geht denen besonders nach, die seine Hilfe am nötigsten brauchen. Er geht auch den Heuchlern und Dolchstoßern nach, von denen der Beter des 62. Psalms redet. Auch sie ruft der Beter auf, ihrem Leben eine Kehrtwende zu geben und sich diesem Herrn anzuvertrauen, der ihnen gnädig sein will.
Gnade hat das Schwergewicht gegenüber der Macht. Letztlich geht es hier um Heil und Heilung. Dazu setzt Gott seine Macht ein. Das gilt dem Beter genauso wie den Widersachern. Er hat uns nicht vergessen.
Der Beter des 62.Psalms nimmt uns mit in sein „heiliges Zelt“. Nehmen wir uns die Zeit, unser Herz auszuschütten und uns wieder ganz auf Jesus Christus, Gottes Gesicht, das er uns in seinem Sohn Jesus zeigt, einzulassen. Wir werden auf unserem Weg nicht an denen vorbeigehen, die unsere Hilfe brauchen. Nicht auf unsere religiösen Richtigkeiten kommt es an, sondern auf die Zeit, die wir Gott in unserem Leben einräumen, damit er an uns wirken kann.
Herkunft: taunusportal.de